Ingolstadt
Besinnlich und verführerisch

Glanzvolles Audi-Weihnachtskonzert mit der Cellistin Raphaela Gromes in Ingolstadt

16.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:25 Uhr
Virtuoser Seiltanz: Raphaela Gromes wird vom Georgischen Kammerorchester unter der Leitung von Ruben Gazarian im Kundencenter des Audi-Forums Ingolstadt begleitet. −Foto: Audi

Ingolstadt (DK) Dieser Abend hat alljährlich im Dezember einen Ehrenplatz im Terminkalender des Georgischen Kammerorchesters.

Den Musikern ist es zum Jahresende spürbar eine aufrichtige Freude, unter ihrem Chefdirigenten Ruben Gazarian das Audi-Weihnachtskonzert im vollbesetzten, stimmungsvoll mit Lichterketten und Christbäumen geschmückten Kundencenter des Audi-Forums immer wieder neu zu gestalten. Davon zeugt auch die abwechslungsreiche Programmzusammenstellung - diesmal bestehend aus klassischem Solokonzert, italienischen Variationen und barocker Ballettmusik, deren Auswahl sich vom sonstigen typischen Advents-Repertoire wohltuend abhebt. Wobei die obligatorischen traditionellen Weihnachtslieder natürlich nicht fehlen dürfen.

Als Stargast brilliert in so festlichem Rahmen die international gefeierte, nicht nur in Ingolstadt bekannte Cellistin Raphaela Gromes. Mit jeder Pore, jeder Faser ihres Körpers lässt sie sich treiben von der zarten Eröffnungsmelodie in Haydns zweitem Cellokonzert, vollführt einen virtuosen Seiltanz zwischen filigraner Schlichtheit und sprudelnder Energie. Hochkonzentriert, mit geschlossenen Augen, horcht sie hinein in die lichten, transparent-federnd gespielten Orchesterklänge, tritt mit ihrem Instrument (von Jean-Baptiste Vuillaume um 1855) weich und geschmeidig daraus hervor, bringt es in feinsten Ausdrucksschattierungen zum Singen und Schwingen. Nicht nur sie selbst, auch ihre mit dem Cello verschmelzende Bogenführung scheint die Musik regelrecht auszustrahlen, die sich berückend leicht in den Saal ergießt - gepaart mit brillanter technischer Raffinesse. Kantabel, kantilenenhaft schwelgt Gromes in den lyrischen Rondo-Strömungen des Adagios, geradezu genussvoll stürzt sie sich im Schlusssatz in die Eskapaden der wirbelnden Läufe, in die Wendigkeit der extremen Sprünge oder in die Capricen der rasanten Dreiklangsbrechungen. Auf die Spitze getriebene, verdichtete Bravour voller Überraschung, Witz und Esprit. Aus ihrer aktuellen CD "Hommage à Rossini" (Geschenktipp! ) stellt die begnadete Künstlerin ein kammermusikalisches Kleinod des eigentlich vor allem für seine Opern berühmt gewordenen Komponisten vor: "Une Larme" ("Eine Träne"), enthalten in den als "Alterssünden" betitelten "Péches de viellesse". Aus einem wie selbstvergessen wirkenden, melancholisch-elegischen Klagethema entwickeln sich hier aparte Variationen verschiedenster Couleur.

Kleine Formen, Miniaturen im zwischen bedrückt und luftig changierenden Klanggewand, die Raphaela Gromes und der Streicherapparat von getragenem Pathos über lebensfrohe Beschwingtheit bis hin zum furiosen Ende nuanciert ausreizen. Mit umwerfendem Charme sowie schelmischem Augenzwinkern führt die Vollblut-Cellistin ihr warmes, sattes Tontimbre in Interaktion mit dem launig agierenden Orchesterpart, welcher zu solch amüsanter, geschmackvoller Kost perfekt korrespondiert.

In Bestform präsentiert sich anschließend das Georgische Kammerorchester bei Glucks bahnbrechender Ballettvertonung "Don Juan ou Le Festin de Pierre". Die Geschichte des berüchtigten Verführers und Frauenhelden erzählt der Klangkörper in absolut dramatischer, fesselnder musikalischer Sprache, transportiert semantisch aufgeladen sämtliche emotionalen Facetten des tragischen Geschehens. Stilecht musizieren die höheren Streicher sowie die Bläser dabei im Stehen.

Bezaubernd gestaltet sind die Passagen voll galanter Anmut, die das exzellent aufeinander abgestimmte Ensemble bis ins feinste Pianissimo ausdifferenziert. Mitreißend konturiert es die feurig-akzentuierten Motive, dämonisch angereichert die geisterhaften Harmonien. Der fulminante Tanz der Furien und Don Juans grausige Höllenfahrt entfesseln schließlich ein gefühltes Erdbeben unter der präzisen, hochpräsenten Führung von Ruben Gazarian, der den ganzen Abend mit auf den Punkt gebrachten, plastisch anzeigenden Gesten dirigiert.

Besinnlich wird es dagegen bei den unverzichtbaren Weihnachtslied-Klassikern, die Geiger und Komponist Igor Loboda passgenau für seine Kollegen wie auch für Solistin Raphaela Gromes eigens arrangiert und in neues Festtagsgewand gekleidet hat: "O Tannenbaum" mutet da fast schon wie Filmmusik an, "Leise rieselt der Schnee" entpuppt sich als originelle Jazz-meets-Walzer-Version, "Tochter Zion" jauchzt in lässigem Groove, zu "Vom Himmel hoch" singen die Musiker sogar mit, und "Es ist ein Ros entsprungen" entfaltet seinen ganz eigenen nostalgischen Charakter.

Anhand der himmelssphärischen Klänge von Humperdincks mittlerweile schon zur Zugaben-Tradition gewordenem "Abendsegen" beschließen die Mitwirkenden das Konzert in herzergreifender Empfindsamkeit - mit genau der inneren Einkehr, die wir in unserer schnelllebigen, sensationsgierigen Zeit doch alle so bitter nötig haben. Berührender kann man wohl kaum in Weihnachtsstimmung kommen.

Heike Haberl