Ingolstadt
Barocke Sinnlichkeit

Reinhold Friedrich und das Georgische Kammerorchester in Ingolstadt

30.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:15 Uhr
Magischer Trompetenton: Reinhold Friedrich spielt Barockkonzerte, Ruben Gazarian dirigiert das GKO. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Den Mann anzuschauen, macht bereits gute Laune. Wie er da auf der Bühne des Ingolstädter Festsaals steht, groß, beleibt, strahlend mit der filigranen Piccolo-Trompete in der Hand. Mit seiner langen verschnörkelt bedruckten, dunklen Jacke ist er fast ein lebendes Monument barocker Sinnlichkeit.

Bei den ersten Takten des D-Dur-Konzertes von Giuseppe Tartini wippt der Trompetenstar Reinhold Friedrich, der bereits 1986 den ARD-Wettbewerb gewonnen hat, mit dem ganzen Körper im Takt der Musik mit, als wäre er im Rockkonzert. Dabei wendet er sich nach rechts und links, motiviert die Musiker des Georgischen Kammerorchesters, als wenn dafür nicht eigentlich der Dirigent Ruben Gazarian zuständig wäre. Und immer wieder verzieht sich sein Gesicht zu einem vergnüglichen Lächeln, so als wollte er dem Publikum sagen: Seht her, was für wunderbare, mitreißende Musik.

Nun, ja. Eigentlich ist das, was man da zu hören bekommt, nichts weiter als barocke Meterware. Nett anzuhören, lustig, lebhaft, aber eigentlich nicht der Rede wert.

Zumindest solange Friedrich nicht in seine kleine Trompete bläst. Denn dann klingt alles nach Zauberei. Friedrich besitzt einen magischen Trompetenton. Die barocken Wendungen leuchten und funkeln vor Schönheit und Leichtigkeit. Und wenn es zum langsamen Satz kommt, meint man geradezu, eine barocke Trompetenarie zu hören. Kaum anders klingt danach noch das erste Trompetenkonzert von Johann Wilhelm Hertel. Reinhold Friedrich gehört zweifellos zu den Künstlern, die spielen können, was sie wollen: Es ist immer fantastisch, im höchsten Maße veredelte Musik. Ein virtuoses Highlight bietet der Künstler dann noch als Zugabe: die Badinerie aus Johann Sebastian Bachs h-Moll-Suite: wendig, strahlend und eindrucksvoll geblasen, während die GKO-Musiker ihn mit Zurückhaltung begleiten.

Wie überhaupt das Orchester an diesem Abend mit großer Sorgfalt und Präzision musiziert. Wunderbar bereits das "Weihnachtskonzert" von Arcangelo Corelli, das die Musiker mit einem Minimum an Vibrato und weitgehend im Originalklang-Duktus aufführen.

Zum eigentlichen Höhepunkt gerät allerdings ein anderes Werk: die c-Moll-Sinfonie op. 41 des italienischen Haydn-Zeitgenossen Luigi Boccherini - ein fantastisches Werk, das stilistisch unmittelbar an die Sturm-und-Drang-Sinfonien des Wiener Klassikers anknüpft. Entsprechend wild lässt Ruben Gazarian seine Musiker spielen: eine Musik voller Extreme, plötzlicher, spannungsgeladener Pausen, unvermittelter Fortissimo-Einsätze, eindringlicher Klage-Vorhalte und einem mitreißenden Rhythmus. Besonders wichtig sind die zahlreichen Blasinstrumente, der dritte, leicht dahintänzelnde Satz, enthält ein leichtfüßiges "Minueto", das nur von den Bläsern musiziert wird. Gerade die beiden letzten Sätze dirigiert Gazarian mit viel Augenzwinkern und Ironie. Diese Sinfonie ist kein bisschen schlechter komponiert als die Haydn-Sinfonien der mittleren Periode - man sollte sie definitiv häufiger ins Programm nehmen.

Am Ende noch ein Vorgriff auf die innige Weihnachtszeit, schließlich tritt das Orchester an diesem Abend zum letzten Mal in diesem Jahr vor die Abonnenten: als Zugabe erklingt das "Nocturne" des georgischen Komponisten Vaja Azarashvili - süffige, warme Klänge mit einem elegischen Cellosolo. Ein wohlig-romantischer Streichersound, der selbst die eisigste Winternacht noch von innen zu erwärmen vermag wie ein gutes Glas Glühwein.

Jesko Schulze-Reimpell