Dresden
Dresden zeigt Gobelins von Raffael

04.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr
Blick in die Ausstellung „Raffael - Macht der Bilder“. −Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

2020 ist Raffaels 500. Todesjahr. Die Gemäldegalerie Alte Meister Dresden bewahrt mit der „Sixtinischen Madonna“ eines der berühmtesten Bilder des Renaissancekünstlers - und lenkt zum Jubiläum den Blick auf ein anderes einzigartiges Werk.

Kompositionen aus Wolle und Seide: Nach zwölf Jahren hat die Gemäldegalerie Alte Meister Dresden Raffael-Tapisserien aus dem Depot geholt. Fünf der sechs Bildteppiche und ihre Jahrhunderte währende Faszination sind Mittelpunkt der Ausstellung „Raffael - Macht der Bilder“ zum 500. Todesjahr des Künstlers.

„Sie führt eindrücklich vor, wie Raffael am Anfang des 16. Jahrhunderts die Bildsprache der italienischen Hochrenaissance und besonders der Tapisserie-Kunst revolutionierte“, sagte Galeriedirektor Stephan Koja am Donnerstag.

Von Samstag bis zum 30. August zeugen im Semperbau am Zwinger zudem über 50 Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche, Skulpturen und Fayencen aus eigenem Bestand und internationale Leihgaben vom Entstehungsprozess und der Rezeption der Entwürfe, die Raffael vom Jahr 1515 an für Papst Leo X. zur Ausstattung der Sixtinische Kapelle in Rom schuf.

In direkter Konkurrenz mit Michelangelo machte Raffael dabei etwas ganz Neues: wenige monumentale Figuren, die sich durch „sprechende Gesten“ auszeichnen, statt zentraler Figuren mit dekorativen Elementen und erläuternden Details, sagte Koja. „Man kann ihnen beim Sprechen und Agieren zusehen und visuell verstehen, welche Interaktion geschieht.“

Diese Verdichtung auf den prägnantesten Ausdruck und die treffendste Haltung habe Künstler seiner Zeit und nachfolgender Generationen fasziniert und beeinflusst. Das ist mit Beispielen von Dürer über Rembrandt, Rubens oder Poussin bis zu Schnorr von Carolsfeld in der Schau belegt. „Dürer und Raffael standen im Austausch miteinander“, sagt Co-Kuratorin Larissa Mohr. Sie schickten sich Zeichnungen, der gegenseitige Einfluss sei in mehreren Werken zu sehen.

Raffael selbst hatte zudem die Verbreitung seiner Bildideen mittels Kupferstichen forciert, was zu ihrer großen Bekanntheit und enormen Wirkung beitrug. So waren laut Koja die Entwürfe schon in Rom bekannt, als die Bildteppiche noch in Brüssel gewebt wurden.

In Dresden können die Besucher dem Meister bei der Entstehung der Kartons für die päpstlichen Bildteppiche quasi „über die Schulter schauen“. Raffael-Zeichnungen auch aus dem reichen Fundus der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeugen davon, wie er sich von der Antike inspirieren ließ, den menschlichen Körper studierte, Haltungen und Gesten ausprobierte. Arbeiten wie das „Studienblatt mit Kranichen“ von Giovanni da Udine belegen, wie Raffael Schüler und Werkstattmitarbeiter in den kreativen Prozess mit einbezog.

Die kolorierten Kartons erwarb 1623 der spätere König Karl I. von England, sie befinden sich im Victoria and Albert Museum London. Zwei extra angefertigte Faksimiles zeigen, wie die aus über 100 Blättern zusammengeklebten Originalkartons aussahen. Sie dienten dann als Vorlagen für die Manufaktur im englischen Mortlake, wo auch das sechs Teile umfassende Dresdner Set entstand. Die den Apostelfürsten Petrus und Paulus gewidmeten Wandtextilien gelangten 1728 in die Sammlung von Sachsens Kurfürst August dem Starken (1670-1733).

Da aber der sechste Dresdner Teil unvollendet blieb und der siebente fehlt, ergänzen zwei Leihgaben aus dem Pariser Mobilier national mit ähnlicher Bordürengestaltung die Serie.

Auf einige zugesagte Leihgaben aus den USA muss die wegen Corona verschobene Dresdner Schau verzichten, weil es keine Frachtflüge gegeben habe und Museumsmitarbeiter nicht reisen durften, wie Koja sagte. Dennoch soll die Ausstellung, dann mit der kompletten Dresdner Serie und in leicht veränderter Form, ab Herbst in Columbus (Ohio) gezeigt werden - bis März 2021.

dpa