Ingolstadt
Ausnahmetalent auf Hochtouren

Stefan Leonhardsberger spielt über den Dächern von Ingolstadt

12.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:22 Uhr
Stefan Leonhardsberger und die Pompfüneberer. −Foto: Alex Schktuew

Ingolstadt (DK) Die Konzertreihe "Über den Dächern von Ingolstadt" entführt ihre Besucher bis ganz nach oben: Die Künstler treten auf dem Dach des Parkhauses am Nordbahnhof auf. Am Samstag stand dort oben der Wahl-Ingolstädter Stefan Leonhardsberger mit seiner Band Die Pompfüneberer auf der Bühne - und gab ein Konzert, das deutlich über das gewohnte Maß hinaus ging.

Es gibt wohl wenige Künstler in Ingolstadt, die so talentiert sind wie der gebürtige Österreicher Stefan Leonhardsberger. In seiner Person vereint er Schauspieler, Sänger, Kabarettist und Erzähler. Und genau dieses Übermaß an Schaffensgeist dürfen die Besucher seiner Auftritte - die verständlicherweise zumeist ausverkauft sind - genießen.

An diesem Abend stellt sich der geneigte Zuhörer auf entspannten Austrofolk bei einem Glas Weißwein und einer sanften Brise um die Nase ein. Tatsächlich spielen die Künstler wunderbare Lieder von der Liebe und vom Tod. Kein Wunder bei dem Namen übrigens: Pompfüneberer ist laut Leonhardsberger der österreichische Begriff für Bestatter. So weit, so düster.

Doch trotz einiger Lieder, die von Beerdigungen, von Suizid, vom Verlust eines geliebten Menschen und von der Einsamkeit erzählen, geht die Leichtigkeit des Abends nie verloren. Das liegt wohl auch an Leonhardsbergers Talent, jeden melancholischen Moment mit einem Augenzwinkern zu versehen. Und wenn das nicht reicht, ist im Hintergrund immer noch Leonhardsbergers treuer Begleiter Martin Schmid, der dem Gesungenen mit einer grandiosen Mimik und Körpersprache einen humoristischen Kontext verleiht. 

Die musikalische Reise führt uns hinein in die Tradition des amerikanischen Folks, voller Zitate und Querverweise auf die Klassiker. Dank  Gitarre (Mick Lopac), Bass (Uli Fiedler), Banjo (Martin Schmid) und Schlagzeug (Stefan Gollmitzer) wabert bald der Groove über das Parkdeck und Ingolstadt wird immer lockerer. Kein Wunder also, dass man Leonhardsberger und die Pompfüneberer am Ende nicht gehen lassen will - zu schön ist das musikalische Urlaubsgefühl hier oben. 

Glücklicherweise wird die Bitte erhöht und die beharrlichen Zuhörer mit dem Höhepunkt des Abends belohnt. "Wir haben keine Lieder mehr, aber wir haben ein Musical geschrieben. Wollt Ihr das hören?", fragt Leonhardsberger vorsichtig in die Runde. Der Jubel macht jedes weitere Nachfragen überflüssig. "Das Polizeipferd", kündigt der Sänger mit sonorer Stimme an. Was folgt, ist eine Geschichte über einen Outsider, der verloren durch das Leben tingelt, sich in Drogen und Gewalt verliert, immer auf der Suche nach Halt.

Das Skurrile dabei? Beim Protagonisten handelt es sich nicht um einen Menschen, sondern um ein Pferd. Bei jedem anderen Künstler würde man aussteigen und über die Abstrusität des Erzählten nur noch den Kopf schütteln. Doch selbst wenn plötzlich Robert Redford in der Geschichte zum irren Pferdemetzger wird, verliert Leonhardsberger beim Erzählen nie der Verbindung zum Publikum. Nein, vielmehr schafft er es, die Geschichte in unserem Kopf zum Leben zu erwecken, sodass es auf einmal plötzlich sogar leicht fällt, sich ein Pferd in einer thailändischen Opiumhöhle vorzustellen. Diese verrückte Meisterleistung ist der Beweis für das österreichische Ausnahmetalent, das glücklicherweise ein Schanzer geworden ist.  

 

Jessica Roch