Regensburg
Auf nach Europa

Anregender Festivalmarathon: Die Tage Alter Musik in Regensburg begeisterten das Publikum

24.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:20 Uhr
In der Basilika St. Emmeram trat heuer das belgische Ensemble Vox Luminx auf. −Foto: Foto: Meier

Regensburg (DK) Hat der Handelsstreit mit den USA die Alte-Musik-Szene erreicht?

Erhebt die Europäische Union nun Import-Zölle auf Ensembles aus Nicht EU-Staaten? Auf diesen absurden Gedanken konnte man angesichts des diesjährigen Programms der Tage Alter Musik Regensburg beinahe kommen. Denn entgegen früherer Ausgaben kamen diesmal tatsächlich alle geladenen Gruppen aus Europa, und passenderweise übernahm auch gleich das European Union Baroque Orchestra die hehre Aufgabe der Barockmusikvermittlung. Man hatte sich mit der Truppe Favoletta zusammengetan, um Vivaldis ohnehin familienverträgliche "Jahreszeiten" in ein etwas betuliches, aber sympathisches Puppentheater mit völkerverbindender Message zu verwandeln.

Ein Vermittlungsproblem hat die Alte Musik in Regensburg ohnehin nicht, wie die ausverkauften Konzerte vor überwiegend überregionalem Publikum bewiesen. Am weitesten vom Kerngeschäft entfernte sich dabei gleich der Eröffnungsabend, bei dem sich in Mendelssohns "Lobgesang" vor allem Tenor Werner Güra und die Regensburger Domspatzen in ausgezeichneter Verfassung präsentierten.

Instrumentales auf hohem Niveau war heuer unter anderem vom zupackend musizierenden Finnish Baroque Orchestra zu hören. Amandine Beyer animierte das groß besetzte Ensemble vom ersten Geigenpult aus zu spritzigen Darbietungen Muffats und Telemanns und überzeugte als Solistin in einem Konzert Jean-Marie Leclairs. Mereth Lüthi und Sabine Stoffer von Les Passion de l'Ame indes hatten die anspruchsvolle Aufgabe übernommen, eine Verbindung zur traditionell gleichzeitig stattfindenden Instrumentenbau-Präsentation herzustellen. So hatten sie sich in kürzester Zeit mit ihnen bis dahin fremden Geigen angefreundet und brillierten kleiner Anpassungsprobleme zum Trotz mit vier herrlichen Partiten Ignaz Franz Bibers.

Bei den vokal geprägten Konzerten konnte man unter anderem verschiedene Arten der instrumentalen Unterstützung vergleichen. Die hochkompetenten Sänger von Alamire ließen sich in den Gesängen aus dem 16. Jahrhundert von den Zinken und Posaunen des English Cornett & Sackbut Ensemble beflügeln, bei der belgischen Formation InAlto kamen für ihr nicht durchweg packendes venezianisches Programm zu den Bläsern noch Geige, Theorbe und Orgel hinzu. Das Ensemble Vox Luminis markierte die Doppelchörigkeit von vier Bach-Motetten auch durch die Zuordnung von mitspielenden Streichern für den einen und Bläsern für den anderen Chor. Das ergab eine exquisite Klangmischung, die andererseits aber die Satzsstruktur hervorragend durchhörbar machte. Schwindelerregend gar der Auftritt des Tenebrae Consort mit Werken Alonso Lobos und Tomás Luis de Victorias. Nigel Short ist das Kunststück gelungen, aus sechs Frauen und vier Männern einen Klangkörper zu formen, der die polyfonen Strukturen quasi wie ein Organismus ausatmet.

Auch der leichteren Muse gibt das Regensburger Festival immer wieder Raum. So entschädigten die Barokksolisten rund um das geigende Energiebündel Bjarte Eike mit einer hinreißenden "Alehouse Session" für ihre zuvor ziemlich dreist hingeschlampte Purcell-Hommage.

Das Abschlusskonzert des Ensemble Inégal und der Prague Baroque Soloists war schließlich ein überwältigender Beweis für die Originalität und kompositorische Meisterschaft Jan Dismas Zelenkas. Man kam aus dem Staunen nicht heraus, mit welchem Einfallsreichtum er die Texte der Vesperpsalmen zum Klingen bringt. Der knapp 20-köpfige Chor glänzte, ebenso wie die Solisten, mit elastischer Klangfülle und virtuoser Geläufigkeit, wobei Dirigent Adam Viktora die bisweilen sportive Gangart mit zackigen Bewegungen am Laufen hielt. Riesenjubel für diesen denkwürdigen Ohrenöffner zum Abschluss eines wieder einmal höchst anregenden Festivalmarathons.

Juan-Martin Koch