Nachhaltige Kulturarbeit
Audi fördert seit 60 Jahren die musikalische Leidenschaft der Arbeiter & internationale Hochkultur

Dritter und letzter Teil der Serie über das kulturelle Engagement der größten bayerischen Unternehmen

24.04.2022 | Stand 03.05.2022, 3:33 Uhr
Die Audi-Klassik-Open-Air-Konzerte sind regelmäßig Publikumsmagnet für Tausende Bürger in der Stadt. −Foto: Audi

Ingolstadt - Der Karfreitag vor 26 Jahren war für Audi ein besonderer Tag.

Damals betrat der Dirigent Carlos Kleiber Punkt 19 Uhr die Bühne des Ingolstädter Festsaals, leitete Beethovens "Coriolan-Ouvertüre" sowie je eine Sinfonie von Mozart und Brahms - und die Kulturwelt hielt zumindest einen Moment lang den Atem an. Das Ereignis war legendär für Audi und Ingolstadt, und es strahlte weit über die Region hinaus. Zeitungen und Magazine wie der "Spiegel" brachten lange Beiträge über das weltweit einzige Konzert des Maestros in jenem Jahr. Und der ließ sich das in harten Audi-Naturalien bezahlen. Kaum hatte der Stardirigent den Taktstock niedergelegt nahm er seinen neuen Audi A8 in Empfang.

Audi-Kulturarbeit war selten so teuer und fast nie so spektakulär. Es dauerte Jahrzehnte, bis ein Engagement des Konzerns eine ähnliche Wirkung entfalten konnte - vor zwei Jahren, als die künstlerische Leiterin der Audi-Sommerkonzerte Lisa Batiashvili im ersten Pandemie-Jahr in einer Werkhalle spielte und über digitale Medien mit einem Videostream rund 50 Millionen Menschen erreichte. An solche Werte kamen damals selbst Präsentationen von neuen Audi-Fahrzeuge kaum heran, mussten die Konzernoberen konstatieren.

Kein Zweifel: Audi und Kultur sind eine fruchtbare Ehe eingegangen. Und gerade Musik ist noch immer das beste Mittel der ideellen Selbstdarstellung für den Autokonzern. Nicht umsonst lautet die Übersetzung des lateinischen Begriffs "audi" horch oder höre. Audi ist damit der musikalische Autokonzern.

Dabei waren die Anfänge des Kultur-Engagements für den Konzern bescheiden. Vor 60 Jahren gründete das Ingolstädter Unternehmen das Audi-Werkorchester. In den ersten Jahren bestand es noch aus zwei Abteilungen, einer Streicher-Formation und einem Bläser-Ensemble mit zunächst etwa 30 Mitgliedern. 1963 kam es zum ersten Konzert. Die Musiker waren fast alles Arbeiter des Unternehmens, man spielte den bayerischen Defiliermarsch, Unterhaltsames von Franz von Suppè und Paul Lincke. Es ging um Entspannung zum Feierabend nach der beschwerlichen Arbeit am Band: "Harte Hände spielen leichte Musik" lautete damals die Überschrift im Donaukurier.

Es dauerte lange, bis aus der musikalischen Feierabendgestaltung der Audi-Werker ein umfassendes Konzept der kulturellen Selbstdarstellung des Konzerns wurde. Es entwickelte sich, als der Manager Karl-Heinz Rumpf 1987 die PR-Abteilung von Audi übernahm. Rumpf begann Klassik-Festivals wie das Schleswig Holstein Musik Festival zu sponsern. Dort lernte er 1990 die Geigerin und Dirigenten Liana Issakadze kennen. Sie suchte für das Georgische Kammerorchester einen Ort des Exils, denn die Musiker wollten nicht zurück ins umkämpfte Tiflis. Rumpf setzte alle Hebel in Bewegung, um dem Orchester in Ingolstadt eine neue Heimat zu schaffen. Seitdem hat Ingolstadt ein eigenes Orchester mit Weltruf.

Ein Paukenschlag gelang Rumpf allerdings bereits ein Jahr zuvor, als er das erste Werkhallen-Konzert des Konzerns organisierte. Im September 1989 traten die Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Sergiu Celibidache zusammen mit dem Pianisten Daniel Barenboim im Herzen des Audi-Werksgeländes auf. Das Konzert wurde vom Fernsehen übertragen und machte die Kulturarbeit des Konzerns bundesweit sichtbar.

Aber das war noch nicht alles. Rumpf wollte ein ähnliches Festival ins Leben rufen wie das Musikfest im hohen Norden. Er beriet sich mit dem Gründer des Schleswig Holstein Musik Festivals, Justus Frantz, und gestaltete zunächst noch zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk ab 1990 in Ingolstadt eine ähnliche Konzertreihe: die Sommerkonzerte. Seitdem ist Audi der einzige Konzern der Welt, der über ein eigenes Musikfest verfügt.

Das Festival war sofort ein Publikumsmagnet. Stars wie Lorin Maazel, Mstislaw Rostropowitsch, Yehudi Menuhin, Anne-Sophie Mutter versetzten die Ingolstädter in Staunen, kaum jemand hätte gedacht, dass sich solche Künstler in die unspektakuläre Donaustadt begeben würden.

Das Kulturengagement gedieh in den folgenden Jahren prächtig. Audi begann die Festivals in Salzburg und Glyndbourne zu fördern, Kooperationen bildeten sich mit der Bayerischen Staatsoper und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, mit den Bayreuther Festspielen und der Berlinale. Das Kulturengagement entfaltete ein fast schon unübersichtliches Netzwerk der Förderung. Ein Meilenstein war 2008 auch die Gründung der Audi-Jugendchorakademie, sicher einer der weltweit besten nichtprofessionellen Chöre. Das Ensemble, das regelmäßig mit dem Dirigenten Kent Nagano zusammenarbeitet, gab ein Konzert im Vatikan und wirkte bei der Eröffnung der Elbphilharmonie in Hamburg mit.

Besonders auch im Ingolstädter Kulturleben war Audi bald kaum noch wegzudenken. Keine wichtige Institution, die nicht mit dem Unternehmen zusammenarbeitet: das Stadttheater mit speziellen Projekten genauso wie das Museum für Konkrete Kunst oder das Kurzfilmfestival 20Minmax. "Wir legen dabei auf Partnerschaft Wert", betont Brigitte Urban, Leiterin des Kulturengagements bei Audi. So wurde etwa der Futurologische Kongress des Stadttheaters nicht nur finanziell unterstützt, sondern Experten von Audi saßen bei Veranstaltungen auch auf dem Podium.

Nach wie vor ist die klassische Musik das Standbein des kulturellen Engagements. Daneben gibt es ein paar Spielbeine: die Jazz-Reihe im Audi-Forum, das Audi-Programmkino mit jährlich 23000 verkauften Tickets, die Unterstützung der Jazztage, das Taktraumfestival. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit veranstaltet Audi zudem ein Weihnachtskonzert mit dem Georgischen Kammerorchester.

Wenn man Audi-Kulturreferent Sebastian Wieser und Brigitte Urban nach der Besonderheit von Audi Art Experience fragt, dann betonen sie die Nachhaltigkeit. Die Sommerkonzerte bestehen inzwischen seit 32 Jahren, das Engagement für die Salzburger Festspiele seit 27 Jahren. "Wir springen nicht auf jeden Trend auf", sagt Wieser. "Wir bleiben dabei, und wir entwickeln fort. "

Aber seit einigen Jahren liegt der Fokus auf den Standorten in Neckarsulm und Ingolstadt, nationale und internationale Förderungen wurden deutlich zurückgefahren. Auch wenn Audi (genauso wie andere große Unternehmen) keine Zahlen offenlegt über die Größe des kulturellen Engagements, ist es unschwer zu erkennen, dass die Aktivitäten nachgelassen haben seit der Diesel-Affäre. Andere Projekte sind wichtiger geworden, die nichts mit Kultur zu tun haben, etwa das Greentech Festival, bei dem es um umweltschonende Technologien geht. Auch die Sommerkonzerte boten in der Vergangenheit schon einmal ein größeres und gewichtigeres Konzertangebot.

Was über die Jahre bleibt, ist der Einsatz vor Ort. Hier, wo die meisten Mitarbeiter arbeiten und leben, möchte man kulturelle Präsenz zeigen. "Wir wollen ein lebenswertes Umfeld schaffen", erklärt Brigitte Urban. Und: Die Audi-Managerin will die Strahlkraft von Premiumfestivals wie die Salzburger Festspiele mit dem Konzern in Beziehung setzen.

In diesem Sinne schließt sich der Kreis. Es geht wie vor 60 Jahren, als das Werkorchester gegründet wurde, das inzwischen Audi-Bläserphilharmonie heißt, um die Lebensqualität der Mitarbeiter. Und um das internationale Flair der kulturellen Höchstleistungen.

DK