Ingolstadt
Beruf Cybercop: Informatiker fahndet für die Kripo

24.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:38 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Die Entwicklung zeichnet sich schon lange ab. Das Internet erweist sich nicht nur als eine überaus praktische Sache, wenn es darum geht, Bankgeschäfte zu erledigen, Nachrichten zu verschicken oder rund um die Uhr einzukaufen.

Immer mehr Menschen nutzen diese Möglichkeiten. Im Sog dieses Trends entwickelt das Netz sich aber zunehmend zum Tummelplatz für Kriminelle. Da werden persönliche Daten abgefischt, Betrügereien begangen, Drogen- und Waffenhandel organisiert oder Kinderpornos verbreitet. Die Polizei in Bayern hat darauf reagiert und vor drei Jahren landesweit 25 Spezialisten eingestellt. Diese Informatiker erhielten eine einjährige Polizeiausbildung und sind inzwischen als Ermittler im Netz unterwegs. Auch bei der Kripo Ingolstadt gibt es einen Cybercop.

Im Kampf gegen die Internetkriminalität (siehe Kasten) geht die Polizei neue Wege „Früher war es so, dass jemand zum Polizisten ausgebildet worden ist und sich dann Spezialwissen angeeignet hat, je nachdem, wo er eingesetzt war“, sagt Alfred Grob, als Leiter der Ingolstädter Kriminalpolizei zuständig für die gesamte Region. „In diesem Fall kaufen wir uns Fachkompetenz ein und satteln den Polizisten obendrauf.“ Der Kripochef wollte „bei diesem Thema von Anfang an mit dabei sein, damit man den Zug nicht verpasst.“ Bekommen hat er Marcel Keßelheim (27).

Der junge Mann aus Hessen hatte die Stellenanzeige gelesen und war sofort fasziniert. Nach seinem Informatikstudium war Keßelheim bereits ein halbes Jahr in der digitalen Forensik beschäftigt. Darunter versteht man die Untersuchung von Computern und Mobilgeräten und die Sicherung von Daten, auch von solchen, die bereits gelöscht waren. „Mich hat immer schon interessiert, wie es damit weitergeht.“

Als Netzpolizist hat er jetzt viel Zeit für solche Ermittlungen, denn die Zuarbeit bei der Datensicherung erledigt der Trupp von der Regionalen Beweisaufnahme, kurz RBA. „Wir gleichen das, was auf Laufwerken gefunden worden ist, mit unseren Erkenntnissen ab“, sagt Keßelheim. Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn Kriminelle im Internet sind mit allen Wassern gewaschen und versuchen, ihre digitalen Spuren zu verwischen. Ein bisschen erinnert das Vorgehen an das Hase-und-Igel-Prinzip, wobei die Ermittler versuchen, bei den stets neuen Maschen der Ganoven den Anschluss zu halten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, da die Anbieter von Internetzugängen kaum Kundendaten speichern. „Das geht von null bis zu maximal sieben Tagen“, sagt Keßelheim. Selbst wenn er jemanden auf seine IP-Adresse, also die individuelle Gerätekennung des Nutzers, zurückverfolgen kann, kommt er deshalb manchmal nicht weiter. „Und wenn eine Spur auch noch ins Ausland führt, ist es meist ohnehin vorbei.“

Das Abgreifen persönlicher Informationen an Geldautomaten war gestern. Heute präparieren Kriminelle lieber Kartenleser in Einkaufsmärkten, um an Daten zu gelangen. Das geht so: Einer lässt sich einschließen und baut ein Lesemodul samt Bluetootheinheit in die Geräte an den Kassen ein. Den Speicher lesen die Täter später über gewöhnliche Handys aus und verschicken die gesammelten Kundendaten per Internet an Komplizen. Von außen fällt die Manipulation nicht auf.

Ein schwieriger Fall für die Cybercops, denn im Netz hat sich eine regelrechte Untergrundwirtschaft breitgemacht. Da gibt es solche, die stehlen Bankdaten, nur um sie weiterzuverkaufen. Andere plündern damit die Konten und wieder andere verschieben das Geld. Oft verliert sich die Spur, wer eigentlich der Drahtzieher war, in der Tiefe des Internets. „Aber auch Cyberkriminelle machen mal Fehler“, sagt Keßelheim.

Wie der 19-Jährige aus Ingolstadt, der die Internetauftritte von knapp 50 Firmen gehackt hatte. Er gehört zu der Kategorie, die nicht aus kriminellem Antrieb manipuliert. „Die wollen nur beweisen, wie gut sie im Hacken sind. Oft haben sie keinerlei Unrechtsbewusstsein“, sagt Keßelheim. Er war dem jungen Mann rasch auf die Schliche gekommen. Überführt ist auch ein 20-Jähriger aus dem Augsburger Raum, der im Internet gezielt Kinder zwischen 10 und 13 Jahren angemacht und vor laufender Webcam zu sexuellen Handlungen animiert hatte, darunter ein Mädchen aus Ingolstadt. Der Netzpolizist ermittelte ihn und geht von über 200 Opfern aus.

Allein voriges Jahr registrierte die Polizei in Bayern mehr als 25 000 Fälle von Internetkriminalität. „Der Gesamtschaden summiert sich auf über 29 Millionen Euro“, sagt Ludwig Waldinger vom Landeskriminalamt in München. Die Tendenz sei steigend. Inzwischen laufe die zweite Einstellungswelle für Cybercops, um dem Phänomen zu begegnen.