Die Vermessung der privaten Welt

30.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:30 Uhr

Ingolstadt (sic) Auf seinem Weg zur Monopolstellung missachtet der Internet-Konzern Google offenbar gesetzliche Grenzen: Das Angebot Street View, für das weltweit alle Straßen systematisch fotografiert werden, bricht deutsches Recht. Zu diesem Urteil kommen zwei Gutachten, die der DK in Auftrag gegeben hat.


Juristen neigen gemeinhin zu spröde-korrektem Fachjargon. Emotionale Einlassungen sind ihre Sache nicht. Wenn Rechtsgelehrte indes deutlich werden, scheint die Causa ebenso ernst wie eindeutig zu sein. In diese Kategorie fällt Google Street View. Die Anwälte, die im Auftrag des DONAUKURIER die? virtuellen Stadtrundfahrten im Angebot des angehenden Netz- Monopolisten kritisch betrachtet haben, formulieren ihre Resümees unverblümt: "Google beeinträchtigt zigtausendfach Persönlichkeitsrechte!"
 

Dr. Hans-Werner Moritz aus Freiburg, Datenschutzexperte und Fachanwalt für IT-Recht, stellt in seinem mit Dr. Stefan Ernst angefertigten Gutachten fest: Niemand muss es sich gefallen lassen, dass von seinem Haus und Grund ohne vorherige Einwilligung Aufnahmen gemacht werden, die ins Internet gestellt werden. Moritz vertritt die Auffassung, dass die Gebäudefotos als personenbezogene Daten interpretiert werden müssen, vor allem deshalb, weil die Adresse angegeben werde.
 
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Die Aufnahmen seien zudem unzulässig, da die Autos im Dienst von Google aus drei Metern Höhe über die Gartenzäune und -mauern hinweg fotografierten. "Und das ist kein öffentlicher Raum mehr!"
 
Moritz stellt zudem klar: Das von Google praktizierte Verschleiern aller Gesichter der Personen, die zufällig zu sehen sind, reiche nicht, "da im konkreten Bildkontext über die Kenntnis der genauen Adresse und durch sonstige Merkmale wie Haarfarbe, eine auffällige Frisur oder Körperstatur eine Identifizierbarkeit möglich ist!" Im Übrigen sei bereits das erste Abspeichern der Daten illegal.
 

Claus Köhler ist der Ansicht: Street View verletzt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, allem voran das Recht am eigenen Bild. Er verweist auf drastische Beispiele, in denen Menschen, die ungefragt fotografiert wurden, im Internet bloß gestellt werden. Köhler stellt fest: "Die Privatsphäre endet nicht an der Wohnungstür. Auch der Garten gehört dazu." (siehe Interview). Das von Google vorgesehene Widerspruchsverfahren hält er für "völlig ungeeignet".
 
Google widerspricht diesen Vorwürfen entschieden: Street View sei "völlig legal", betonte Pressesprecher Stefan Keuchel am Freitag. Er verweist auf die "Konformität mit dem geltenden Datenschutzrecht". Das bestätige auch der Wissenschaftliche Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages.