"Ich will die Laus im Pelz sein"

11.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:28 Uhr

Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über ihre Beratertätigkeit bei Google.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die Hüterin der Privatsphäre berät die Datenkrake - wie passt das zusammen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Ich bin unabhängiges Mitglied in einem unabhängigen, beratenden Beirat. Google muss das EuGH-Urteil zum Recht auf Vergessenwerden umsetzen und die Privatsphäre stärker schützen. Wenn ich dazu meine Meinung einbringen kann, ist das doch eine wichtige Aufgabe. Ich gehe aber davon aus, dass meine Positionen dort kontrovers diskutiert werden.

Google könnte Sie als prominente Vertreterin der Bürgerrechte als Feigenblatt missbrauchen.

Leutheusser-Schnarrenberger: Dazu gehören immer zwei. Im Beirat sitzen neben mir weitere europäische Experten, die ein anderes Verständnis von Privatsphäre haben, als es in Amerika üblich ist. Es ist doch gut, dass auch kritische Stimmen dort zu hören sein werden.

Sie wollen also den Gegner von innen zersetzen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Zumindest geht es mir darum, meinen kontroversen Standpunkt dort einzubringen. Ich will sozusagen die Laus im Pelz sein.

Alle Deutschen, die den Amerikanern bisher mehr Datenschutz abringen wollten, sind gescheitert – sei es bei der NSA oder bei Google. Warum sollte das bei Ihnen anders laufen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich gehe sicher nicht mit dem Anspruch dorthin, Google von einem völlig neuen Geschäftsmodell zu überzeugen. Dafür bin ich nicht vermessen genug. Aber wenigstens in diesem einen Aspekt etwas zu ändern, ist doch aller Mühen wert. Die Leute von Google haben da dringend Beratungsbedarf, weil das nicht ihrem Selbstverständnis entspricht.

Gerhard Schröder arbeitet für Gazprom, Dirk Niebel geht zur Rüstungsindustrie. Sie arbeiten für Google. Befürchten Sie nicht, dass Sie in diese Reihe gestellt werden?

Leutheusser-Schnarrenberger: Nein. Das ist wirklich etwas komplett anderes. Ob ich in einem Vorstand sitze, als hochrangiger Angestellter bei einem Unternehmen arbeite, oder ob ich – wie in meinem Fall – Mitglied in einem unabhängigen Beirat bin. Ich bin dort nicht angestellt und nicht vertraglich gebunden. Ich habe eine klare Haltung und hohe innere Unabhängigkeit. Ich will auch mit Verbänden und Verbraucherorganisationen reden und deren Meinung hören.

Was empfehlen Sie Google?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es geht darum, das Urteil jetzt zu konkretisieren. Bei sehr persönlichen Daten, die den Werdegang oder das Verhalten von Personen betreffen, sollte Google einen sehr großzügigen Umgang mit Löschforderungen pflegen. Wenn das Unternehmen das nicht macht, wird es mit Klagen übersät werden. Das will man dort sicher nicht – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Bekommen Sie ein Honorar?

Leutheusser-Schnarrenberger: Das weiß ich nicht. Da ist bis jetzt kein Wort drüber gesprochen worden. Ich gehe davon aus, dass eigene Aufwendungen ersetzt werden. Das ist für mich aber nicht der Punkt. Ich gehe nicht in diesen Beirat, um Geld zu verdienen.

Was würden Sie tun, wenn Sie merken, dass Google gar nichts ändern will?

Leutheusser-Schnarrenberger: Wenn Google überhaupt nichts ändern wollte oder alles weichspülen würde, hätte sich die Arbeit des Beirats für mich erledigt.

Das Interview führte Til Huber.