Schöne neue Bilderwelt

23.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:14 Uhr

Berlin (DK) Raphael Leiteritz strahlt. "Stellen Sie sich vor, was das für einen Mehrwert hat!", preist der Google-Projektmanager jenen umstrittenen Bilderdienst "Street View", der hierzulande noch in diesem Jahr an den Start gehen soll. Internet, Landkarte und Panorama-Bilder sollen das Angebot verschmelzen lassen und damit einen virtuellen Rundgang durch Städte und Dörfer ermöglichen – zu Hause am PC oder übers Mobiltelefon.


Aktuell lässt Google für seinen neuen Dienst Straßen und Häuser von Flensburg bis Oberammergau fotografieren – eine beispiellose Aktion. Und ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen, wie Georg Schäff kritisiert. Mit drei Gutachten hat der Verleger des DONAUKURIER im vergangenen Herbst den Widerstand gegen den Internetriesen ins Rollen gebracht. Schäff, der wegen seines Einsatzes bereits von mehreren TV-Sendern zum Interview eingeladen wurde, bemängelt unter anderem, dass die Kameras bei Google so hoch angebracht sind, "dass der Blick über den Zaun möglich wird".
 
Google-Manager Leiteritz ficht das nicht an. "Sie können sich so bewegen, als wären sie dort", beschreibt er bei der Präsentation der Pläne in Berlin die virtuelle Welt von "Street View". Bilder vom New Yorker "Times Square" holt der junge Manager auf die Leinwand, navigiert sich durch die Szenerie. Man sieht Passanten auf den Gehwegen, Autos auf den Straßen.

 

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Schöne, neue Bilderwelt? Mit dem Termin in der Hauptstadt versuchte Google gestern die Flucht nach vorn. Werben um Akzeptanz. Schließlich gibt es in Deutschland nach dem Einsatz des DONAUKURIER jede Menge Kritik an Street-View – vor Ort in den Kommunen, bei Datenschützern. Spät reagierte auch die Bundesregierung. Zuletzt sprach Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) von einem millionenfachen Eingriff in die Privatsphäre und brachte auch mögliche gesetzliche Auflagen für Angebote wie "Street View" ins Gespräch.

Noch sind nicht alle Straßen fotografiert – doch spätestens im vierten Quartal will Google sein "Street View", das es bereits in 19 Ländern weltweit gibt, für Deutschland freischalten. Ungeachtet aller Kritik. "Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst", versichert Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung des Konzerns. Man sei den Kritikern bereits entgegengekommen, habe weitreichendere Datenschutz-Zusagen gemacht als in anderen Ländern.

Alle Bilder, betont Haller, würden aus dem öffentlichen Raum heraus aufgenommen, Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich gemacht. Jeder, der nicht wolle, dass sein Haus abgebildet werde, könne sich vorher schriftlich melden und Widerspruch einlegen. Dann würde das betreffende Haus aus dem Angebot entfernt, noch bevor "Street view" gestartet werde. Nutzer sollten sich zudem melden können, sollte ein Autokennzeichen oder ein Gesicht nicht ordnungsgemäß unkenntlich gemacht worden sein. "Sehr unbürokratisch, sehr schnell" solle dies dann korrigiert werden.

Nach Einschätzung von Experten ist das allerdings nur eine stumpfe Waffe: Noch immer geistern Tausende von Bildern durch das Netz mit gut lesbaren Autokennzeichen und Menschen, die sehr wohl zu erkennen sind.

Ein weiterer Knackpunkt, wie die Gutachten des DONAUKURIER ergaben, ist die Möglichkeit gegen die Aufnahme des eigenen Hauses beziehungsweise der eigenen Wohnung vorzugehen. Diese Einspruchsmöglichkeit müsste schon vor den Aufnahmen bestehen, so dass Google die Gebäude überhaupt nicht fotografiert. Der Forderung nach ausdrücklicher Zustimmung der Eigentümer und Mieter aller abgebildeten Häuser will Google aber künftig nicht nachgeben. Familie Haid aus Ingolstadt wehrt sich auf ihre Art: Sie hat ein großes Transparent am Zaun angebracht: "Google Street View? – Nein!"

Auch Verbraucherschutzministerin Aigner forderte gestern nach der Präsentation von Google Nachbesserungen. Sie habe in den letzten Wochen hunderte Anrufe, Zuschriften und Emails von besorgten Bürgern erhalten. "Privates muss auch privat bleiben", bekräftigte Aigner. "Ich kann mir anhand von solchen Diensten anschauen, wo und wie jemand lebt, welche privaten Vorlieben er oder sie hat, wie seine Haustür gesichert ist oder welche Vorhänge an den Fenstern sind – und das ist noch das Wenigste", sagte Aigner. Damit werde das Private ohne Schutzmöglichkeiten an die globale Öffentlichkeit gezerrt.
 
Auf der Homepage des Ministeriums kann man sich einen Musterwiderspruch"%> gegen die Aufnahmen von Google Street View herunterladen. Einspruch kann auch per E-Mail an die Adresse streetview-deutschland@google.com"%> eingelegt werden.