Google legt den Rückwärtsgang ein

30.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:03 Uhr
Die Fahrten der Kameraautos von Google gehen weiter, aber bald müssen in Deutschland Aufnahmen von privaten Bereichen unkenntlich gemacht werden, wenn die betroffenen Bürger das fordern. −Foto: Heigl

Berlin (DK) Google ist beim umstrittenen Angebot Street View zu Zugeständnissen bereit. Der Internetkonzern hat sich jetzt mit Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner darauf verständigt, dass die Fotos erst online gehen dürfen, "wenn alle Widersprüche von Bürgern vollständig umgesetzt sind". Doch es bleiben Zweifel.

Die Ministerin trug ihre Erfolgsmeldung am Freitag überaus selbstbewusst nach außen: "Google Street View: BMELV-Initiative zeigt Wirkung", ließ die CSU-Politikerin auf der Seite ihres Bundesministeriums für Verbraucherschutz (BMELV) verkünden. Der US-Internetkonzern, dessen deutsche Niederlassung in Hamburg residiert, habe ihr "zugesagt, den neuen Dienst ,Street View’ in Deutschland erst dann zu starten, wenn die von Bürgerinnen und Bürgern eingereichten Widersprüche vollständig umgesetzt sind". Das bedeutet Aigner zufolge: Erst wenn die betreffenden Wohnungen, Häuser und Gärten komplett unkenntlich gemacht worden sind, dürfe der Dienst freigeschaltet werden. Laut Ministerium müssen auch die Rohdaten der beanstandeten Aufnahmen konsequent geschwärzt werden. Unter Rohdaten versteht man die unbearbeiteten Fotos, wie sie in den Kameraautos von Google gespeichert werden.
 
Sammelklagen möglich
 
"Wer nicht auf dem Präsentierteller der digitalen Welt landen will, kann jederzeit Widerspruch einlegen und seine Daten löschen lassen", sagte Aigner. "Privates muss privat bleiben." Die Zugeständnisse von Google gehen noch weiter: In Rathäusern können der Ministerin zufolge Listen für Widersprüche ausgelegt und gebündelt weitergeleitet werden. Damit seien Einsprüche für ganze Straßenzüge möglich, wenn alle Anwohner dies wollten.

Google Deutschland dagegen betonte, dass Gemeinden nicht pauschal für alle Bürger Widerspruch einlegen könnten. "Wir brauchen die Rückmeldung von jedem einzelnen", sagte Unternehmenssprecher Kay Oberbeck. Die Lösung beinhaltet ihm zufolge im Wesentlichen die Zusagen, die man 2009 dem Hamburger Datenschutzbeauftragten gemacht habe. Neu sei nur der Sammelwiderspruch.

Claus Köhler sieht das anders. Der Münchner Anwalt hat im Auftrag von DK-Herausgeber Georg Schäff ein Gutachten zu Street View angefertigt und darin zum Teil erhebliche Rechtsverletzungen festgestellt. Am Freitag gab Köhler eine erste Einschätzung der Vereinbarung ab: "Man wird die Selbstverpflichtung natürlich genau prüfen müssen, aber die neue Zusage geht weit über das hinaus, was Google mit den Hamburger Datenschützern ausgemacht hat, denn das waren nur wachsweiche Formulierungen."

Köhler geht davon aus, dass in erster Linie rechtliche Bedenken den Internetkonzern dazu bewogen haben, auf die Kritik an Street View in der Bundesrepublik zu reagieren. "Das war ausschlaggebend." Hinzu kam dem Rechtsanwalt zufolge der immer stärker werdende Druck der Öffentlichkeit und der Medien. "Google hat harten Gegenwind bekommen – und das ist jetzt die Reaktion."
 
"Öder Beigeschmack"
 
Ministerin Aigner hatte bereits am Anfang des Jahres ihre Bedenken gegen Street View vorgetragen und regulierende Maßnahmen angekündigt. Danach wurde es in ihrem Ministerium allerdings wieder ruhig um das Thema Google. Um so überraschender ist die am Freitag verkündete Übereinkunft.

Für Köhler bleibt jedoch "ein öder Beigeschmack". Das Widerspruchsverfahren findet er "rechtlich immer noch nicht in Ordnung". Es sei einfach nicht zulässig, dass Google ohne Erlaubnis Fotos mache, und sich die Betroffenen erst nachher dagegen wehren könnten. Es müsse genau umgekehrt sein.