Datenskandal ruft Justiz auf den Plan

19.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:00 Uhr

Hamburg (DK) Der jüngste Google-Datenskandal hat für die Verantwortlichen beim Suchmaschinengiganten womöglich ein juristisches Nachspiel. Weil Google private WLAN-Daten gespeichert hat, leitete die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen ein.

Das Verfahren richte sich gegen namentlich nicht bekannte Mitarbeiter von Google Deutschland, sagte der Hamburger Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers gestern. "Es geht um den Verdacht des Abfangens von Daten." Man prüfe, ob es "belastbaren Anfangsverdacht" gebe. Es sei noch "völlig offen, ob wir in tiefere Ermittlungen einsteigen", sagte Möllers. Nach Paragraf 202b Strafgesetzbuch drohen für das "Abfangen von Daten" eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Auch im Telekommunikationsgesetz ist ein Abhörverbot festgeschrieben.
 
Google hat seit dem Jahr 2007 bei den Kamera-Fahrten für seinen umstrittenen Street-View-Dienst auch WLAN-Netze katalogisiert. Dabei wurden auch Daten miterfasst und abgespeichert, die über ungesicherte Netze gesendet wurden.
 
Mit dem Abgreifen der privaten WLAN-Daten  hätten sich die bei Google Verantwortlichen nach der geltenden Rechtslage jedoch nur dann strafbar gemacht, wenn dies vorsätzlich geschehen wäre. Dabei reicht es allerdings aus, wenn die Speicherung bloß billigend in Kauf genommen worden wäre – nach dem Motto: Wenn wir diese Daten nebenbei auch noch bekommen können, dann ist uns das recht. "Da kann man derzeit ohne ein Ermittlungsergebnis natürlich nur spekulieren", sagt der Münchner Rechtsanwalt Claus Köhler. Der Jura-Professor hatte in einem für den DONAUKURIER erstellten Gutachten die Zulässigkeit von Street View unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts am eigenen Bild und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung infrage gestellt.

Zum aktuellen Datenskandal hat Google erklärt, die Speicherung sei unabsichtlich passiert. Es habe sich um einen bedauerlichen Fehler gehandelt. Laut Köhler stellt sich dann aber die Frage, seit wann den im Konzern Verantwortlichen dieser Fehler bekannt gewesen ist: Wenn sie schon länger davon wussten und dennoch danach weitergemacht haben wie bisher, sei das im Hinblick auf den Vorsatz "problematisch". Schließlich sei es in diesem Zusammenhang ein "sehr interessanter Aspekt", dass Google sich bislang weigere, den Behörden Einblick in die entsprechenden Datensätze zu gewähren.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar forderte Einsicht in die WLAN-Daten und stellte Google ein Ultimatum bis zum kommenden Mittwoch. Wenn Google der Aufforderung nicht nachkommt, droht dem Unternehmen ein Bußgeld von bis 300 000 Euro.

In der Anwaltskanzlei in Alsfeld bei Aachen, die die Ermittlungen gegen Google mit einer Strafanzeige bei der Hamburger Staatsanwaltschaft angestoßen hat, zeigt man sich derweil "unheimlich stolz, dass wir etwas in Bewegung gesetzt haben". Es sei "unglaublich", dass bei diesem brisanten Thema sonst noch niemand Anzeige erstattet habe. Pikantes Detail am Rande: Der auf IT-Recht spezialisierte Alsfelder Jurist Jens Ferner kümmert sich sonst besonders intensiv um Internetnutzer, die sich in fremde WLAN-Netze eingeklinkt haben und deshalb als "Schwarz-Surfer" mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind.