Vor
Die Datensammelei beginnt wieder

Union und SPD haben sich auf eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung geeinigt

27.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:22 Uhr

Vor Kurzem schien die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung noch auf der Kippe. Die Affäre um die Ausspähung durch amerikanische und britische Geheimdienste kochte hoch. Sogar CDU und CSU rückten vom Vorhaben der massenhaften, anlasslosen Speicherung privater Telekommunikationsdaten ab – zumindest scheinbar.

Man müsse sich die Sache noch mal „sehr genau anschauen“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer unserer Zeitung.

Als dann noch herauskam, dass die amerikanische National Security Agency (NSA) sogar das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgehört hat, glaubten viele an eine Kehrtwende. Mit dem Koalitionsvertrag ist aber klar: Die Vorratsdatenspeicherung kommt. „Das wird eines der ersten Gesetzgebungsvorhaben sein“, sagte Merkel gestern.

Im Vergleich zum Konzept, das das Bundesverfassungsgericht 2010 für verfassungswidrig erklärt hatte, soll es einige Änderungen geben. Die Bundesregierung will bei der EU darauf hinwirken, dass die Daten nur drei Monate gespeichert werden müssen. Die europäische Richtlinie, auf der die Vorratsdatenspeicherung basiert, fordert sechs Monate. Zudem will die Koalition vorschreiben, dass die Daten auf Servern in Deutschland gespeichert werden. Die Daten sollen nur bei schweren Straftaten und mit richterlicher Genehmigung verwendet werden.

An der grundsätzlichen Linie, alle Telekommunikationsdaten ohne Verdacht auf ein Verbrechen zu speichern, ändert sich nichts. Die künftige Regierung müsse nun mal die EU-Richtlinie umsetzen, sagt Seehofer (siehe Interview Seite 3). „Wenn wir das nicht tun, laufen wir Gefahr, dass wir deftige Strafzahlungen leisten müssen.“ Die Sicherheitspolitiker aus Union und SPD glauben aber auch, dass das Instrument der Verbrechensbekämpfung dient. Behörden behaupten das. Einen Nachweis dafür sind sie bisher schuldig geblieben.

Dementsprechend enttäuscht reagieren Datenschützer auf die Einigung in der Koalition. „Es bleibt dabei: Die Vorratsdatenspeicherung ist weder erforderlich noch verhältnismäßig“, sagt der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, unserer Zeitung. Auch er verweist darauf, dass die Notwendigkeit bisher nicht bewiesen sei – weder in Deutschland, noch auf europäischer Ebene. Statt ein Gesetz zu verabschieden, müsse die Bundesregierung die europäische Richtlinie „ergebnisoffen prüfen“, fordert er.

Die Richtlinie wird nicht nur in Deutschland kritisiert. Beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind zwei Verfahren anhängig – eines aus Österreich und eines aus Irland. Es geht um die Frage, ob die Regelung mit europäischen Grundrechten vereinbar ist. Am 12. Dezember will der Generalanwalt des EuGH seine Schlussanträge vorlegen – eine Entscheidungsempfehlung. Sollte das Gericht die Richtlinie verwerfen, wäre auch ein deutsches Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hinfällig.

Dem Autor auf Twitter folgen: