Ingolstadt
Googles Griff in die Trickkiste

22.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:26 Uhr

Auf Google Street View ist das Haus noch gepixelt, doch bei einem Klick auf die Schaltfläche oben rechts öffnet sich das rechte Bild und zeigt das Haus unverschleiert. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Ein unscheinbares zweistöckige Haus in der Mitte der Schlesischen Straße in Berlin ist über Nacht zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt: Eigentlich wollte ein Mieter dafür sorgen, dass es nicht in Google Street View auftaucht. Wie gewünscht ist es dann beim Start des Datendienstes Ende vergangener Woche gepixelt – zumindest in Street View.

Beim Klick auf den kleinen Foto-Link oben rechts im Street-View-Fenster bekommt der Internetreisende dann allerdings ein Foto des Hauses in guter Qualität. Jetzt kursiert es im Internet als typisches Beispiel dafür, wie Google seine eigene Selbstverpflichtung umgeht.

Entsprechend deutlich äußert sich der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar zu dem Thema. Er hatte im Auftrag seiner Kollegen aus den anderen Ländern mit Google die Selbstbeschränkung ausgehandelt. Danach haben die Hausbesitzer und Mieter die nicht wollen, dass ihr Haus bei Street View auftaucht, eine Einspruchsmöglichkeit und die betroffenen Häuser werden gepixelt. "Google umgeht die Vereinbarung – und wir können im Augenblick nichts dagegen tun", sagt Caspar im Gespräch mit dem DONAUKURIER. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagt, sie erwarte, "dass Google seine bereits gemachten Zusagen einhält". Das Widerspruchsrecht dürfe nicht ausgehebelt werden, indem bei Street View verpixelte Gebäude über ein anderes, eingebundenes Programm einfach wieder sichtbar gemacht werden.
 
Google selbst sieht dagegen kein Problem. Man halte sich an die Übereinkunft: "In unserem Datendienst Street View sind die Bilder gepixelt." Die nicht gepixelten Fotos seien ein Angebot außerhalb davon: Sie würden von Bilderdiensten wie Panoramio oder Flickr bereit gestellt. Und der werde nicht von Google mit Bildern beschickt, hier könne jeder Privatmann Bilder hochladen. Kay Overbeck: "Wir sind grundsätzlich der Ansicht, dass so genannter User Generated Content, also Videos, Texte oder auch Bilder, die von den Nutzern selbst ins Netz gestellt werden, ein elementarer Bestandteil des Internets sind. Das Thema geht also weit über Street View hinaus." Google sei "keine Zensurbehörde", die darüber entscheide, was im Internet gezeigt werden dürfe und was nicht.
 
Diese Trennung zwischen dem Google-Angebot und den Bildern, die private Internetnutzer ins Netz stellen, ist für Außenstehende allerdings nicht wahrnehmbar. Zum einen sind die Dienste direkt mit Street View verknüpft, das heißt mit einem einzigen Klick kann zwischen der Panoramio- oder der Flickr- und Street-View-Ansicht gewechselt werden. Sogar die Adresszeile des Browser bleibt: maps.google.de" target="_blank" class="more"%>. Zum anderen ist es nicht so, dass zum Beispiel der Bilderdienst Panoramio unabhängig wäre. Er gehört zum Google-Imperium. Flickr dagegen gehört zum Konkurrenten Yahoo.
 
Beide funktionieren relativ einfach: Die Bilder werden mit genauer Standorteingabe auf die Panoramio- oder Flickr-Server hochgeladen und lassen sich dann eben nicht nur auf der Internetseite des Bilderdienstes anschauen, sie werden auch in Google-Maps und Google-Street-View angeboten.
 
Diesen Umstand macht sich auch die Initiative "Das verschollene Haus" zunutze. Die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, die gepixelten Häuser in deutschen Straßen zu zeigen. Sie kritisieren das Pixeln als Eingriff in die Freiheit des Internets. Schließlich sei der Blick auf ein Haus Teil des öffentlichen Raums. Und der wird inzwischen auch mit rüden Methoden verteidigt: In Essen werden die Fassaden gepixelter Häuser mit Eiern beworfen.

 
Vor diesem Hintergrund fordert Datenschützer Caspar eine gesetzliche Regelung: Es müsse Klarheit geschaffen werden. Auch Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger geht davon aus, dass an einer gesetzlichen Regelung kein Weg vorbeiführt. "Erneut zeigt sich, dass eine Anpassung des geltenden Datenschutzrechts an die digitale Welt nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden darf. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung muss auch im Internet konsequent zur Geltung gebracht werden", sagt sie gegenüber dem DONAUKURIER.