Ingolstadt
Gutachten zu Street View online

22.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:05 Uhr
Google Gutachten −Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Am Anfang war es ein Fachdiskurs unter Juristen. Mittlerweile debattieren allerorten Bürger über Google Street View – beflügelt von der Berichterstattung in regionalen wie in überregionalen Medien. Die Frage, ob der US-Internetkonzern zum Zweck der Veröffentlichung Häuser und Gärten ablichten darf, bewegt immer mehr Betroffene.

Längst geht es nicht mehr nur um rechtswissenschaftlich-detaillierte Erörterungen, sondern um grundsätzliche Probleme: Wann werden Chancen des Internets zu Risiken? Wo endet die vielbeschworene Freiheit des revolutionären Mediums? Wer muss einschreiten, wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden? Und was darf sich ein Wirtschaftsunternehmen eigentlich alles erlauben?
 
Ein Initiator der Diskussion war der DONAUKURIER. Er hat die Ergebnisse seiner Rechtsgutachter im November vergangenen Jahres veröffentlicht und damit heftigen Widerspruch aus dem Hause Google provoziert; die Firma ist – wenig überraschend – anderer Auffassung. Google beruft sich insbesonders auf die so genannte Panoramafreiheit, nach der – vereinfacht gesagt – im öffentlichen Raum alles fotografiert werden darf, das nicht urheberrechtlich geschützt ist. Außerdem verweist der Konzern auf ein Gutachten der Universität Hannover das "die Rechtmäßigkeit von Google Street View nach deutschem Gesetz darlegt", wie Unternehmenssprecher Kay Oberbeck sagte.

 
Die von DK-Herausgeber Georg Schäff beauftragten Rechtsgutachter sind da anderer Auffassung. Dr. Hans-Werner Moritz, Prof. Claus Köhler (beide gehören der Kanzlei Meister-Rechtsanwälte in München an) und Eike Schönefelder (ebenfalls aus München) haben Erkenntnisse vorgelegt, die mittlerweile auszugsweise in die Fachmagazine "Computer und Recht" sowie "Kommunikation & Recht"" target="_blank"%> Eingang gefunden haben.
 
Moritz, Datenschutzexperte und Fachanwalt für IT-Recht, hat das Gutachten mit Prof. Stefan Ernst angefertigt. Er betont gegenüber dem DK: "Niemand muss es sich in Deutschland gefallen lassen, dass seine Wohnung, sein Haus oder sein Garten ohne Erlaubnis fotografiert und im Internet veröffentlicht wird."

Er argumentiert, dass Fotos von Gebäuden als personenbezogene Daten interpretiert werden müssen, da Google die Adressen angibt. Die Aufnahmen seien zudem unzulässig, weil die Kameras aus drei Metern Höhe über Gartenzäune hinweg fotografieren. "Und das ist kein öffentlicher Raum mehr!"

Ein weiteres zentrales Argument in Moritz’ Gutachten lautet: Schon das erste Speichern der Daten ist definitiv illegal.

Claus Köhler ist der Ansicht: Street View verletzt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, allem voran das Recht am eigenen Bild. Er verweist auf drastische Beispiele, in denen Menschen, die in ungewöhnlichen, meist wenig vorteilhaften Situationen unbemerkt fotografiert worden sind, im Internet bloßgestellt, ja verhöhnt werden. Er stellt fest: "Die Privatsphäre endet nicht an der Wohnungstür. Auch der Garten gehört dazu."

Die von Google vorgesehene Widerspruchsmöglichkeit, die unter anderem über 700 DK-Leser mangels Alternative nutzen, hält der Anwalt für "völlig ungeeignet". Es sei indiskutabel, eigenmächtig Fakten zu schaffen, und erst danach den Betroffenen anzubieten, Protest gegen die Fotos einzulegen.

Schließlich spürt der Verwaltungsrechtler Eike Schönefelder in seiner Stellungnahme der Frage nach, ob die Foto-Autos auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, wie sie wollen, oder ob Google dafür eine Sondernutzungsgenehmigung benötigt.

Das alles ist ab jetzt unter der Adresse donaukurier.de/google nachzulesen – meinungsfreudiger Diskussionsstoff en masse.