Ingolstadt
Widerstand gegen Google auf breiter Front

14.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:20 Uhr
Zeichen des Protests mehren sich. −Foto: Herbert

Ingolstadt (sic) Jetzt sehen viele genauer hin: Google Street View ist ins Visier der Politik gelangt. Auch die drei Rechtsgutachten des DONAUKURIER, in denen Bedenken gegen die Erfassung ganzer Städte zur Sprache kommen, haben dazu beigetragen. Die Datenschutzbehörden dagegen beurteilen den Fall zurückhaltend.

Nicht oft stehen die Sichtweisen von Politik und Verwaltung in einem so scharfen Kontrast wie bei Google Street View, dem Großangriff des kalifornischen Internet-Konzerns auf die Privatsphäre. Während etwa Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) deutlich die Bedenken vorträgt, die sie gegen das systematische Abfotografieren sämtlicher Straßen hegt, äußern sich die Datenaufseher der Behörden noch zurückhaltend. Sie warten, bis Google Fakten schafft und die in Deutschland geschossenen Fotos im Internet veröffentlicht; dass dies noch aussteht, erklären Experten nicht zuletzt mit dem Widerstand, der sich jetzt gegen Street View formiert.
 

Im "Spiegel" drohte Leutheusser-Schnarrenberger diese Woche Google mit schärferen Gesetzen. Die Ministerin klagt: "Mich stört dieses Vorpreschen, diese Gigantomanie!"

Besonders offensiv macht die Landtagsabgeordnete Christine Kamm gegen Street View Front. Die Grünen-Politikerin kritisiert die "ärgerlich vage und minimale" Informationspolitik. "Google kann mit seinen Kamerawagen nahezu alles filmen – wann und wo sie wollen. Als Bürger habe ich nicht die Möglichkeit, das exakte Datum zu erfahren, an dem ein Google-Fahrzeug in 2,5 Metern Höhe über meinen Gartenzaun schaut und Daten erhebt, denn Google veröffentlicht zwar im Internet Städtelisten mit vagen monatlichen Zeitangaben, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Liste unvollständig sein könnte und kleinere Orte nicht erwähnt werden, die auf dieser ,Durchfahrt ’erfasst würden."

Missbrauch möglich

Kamm warnt – auch auf der Grundlage der DK-Gutachten – vor möglichem Missbrauch der Daten in den USA, wo sie unkontrolliert gespeichert werden. Sie rät Bürgern, "wenigstens von ihrem Minimalrecht des Widerspruchs Gebrauch zu machen". Information dazu unter www.gruene-fraktion-bayern.de.

In Behördenkreisen werden die drei vom DONAUKURIER in Auftrag gegebenen Gutachten der Rechtsanwälte Prof. Claus Köhler, Dr. Hans-Werner Moritz und Eike Schönefelder unterschiedlich gesehen. Thomas Petri, Datenschutzbeauftragter des Bayerischen Landtags, teilt die Bedenken, wonach der Widerspruchsmodus gegen Fotos à la Google irrelevant sei. Er ist der Ansicht: "Die nach der Datenerhebung erfolgenden Anonymisierungsbemühungen von Google können einen bereits eingetretenen Schaden allenfalls mildern. Rechtlich problematisch ist jedoch schon die Datenbeschaffung."
 

Kaum Bedenken hegt dagegen der Düsseldorfer Kreis, das informelle Gremium staatlicher deutscher Datenschützer. Das Ergebnis der jüngsten Aussprache über Street View resümiert Günther Dorn, der Leiter des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht: Man werde genau prüfen, ob Google die Auflagen beachtet – vor allem die Anonymisierung von Gesichtern und Autokennzeichen. Grundsätzlich jedoch halte die Expertenrunde die Praxis der Kalifornier "für vertretbar".

"Rechtliches Neuland"

Street View führe zweifellos auf "rechtliches Neuland", sagt Dorn. "Das ist ein schwieriger Fall." Jedoch habe man eine Interessenabwägung vornehmen müssen. Deren Fazit lautet im juristischen Fachjargon: "Der Düsseldorfer Kreis hat kein offensichtliches Überwiegen der Schutzbedürftigkeit der Bevölkerung festgestellt."
 

Den Rechtsgutachten des DK zollt der Datenschützer "großen Respekt". Allerdings vertritt er die Ansicht: "Es gibt eben nicht nur eine Wahrheit." Besonders einen Einwand aus dem Moritz-Gutachten sieht Dorn anders: Dass die Google-Autos Fotos aus drei Metern Höhe über Gartenzäune hinweg schießen, hält er für unbedenklich, "weil man aus Bussen oder Lkw auch aus dieser Höhe fotografiert".

Hans-Werner Moritz widerspricht energisch: "Das Argument mit den Reisebussen ist absurd und hat in Japan offensichtlich nicht gefruchtet." Dort musste Google nach Klagen alle Aufnahmen aus geringerer Höhe wiederholen. Moritz vermutet: "Der Düsseldorfer Kreis will mit den Bussen davon ablenken, dass bereits die Erhebung der Rohdaten ohne Einwilligung der Betroffenen unzulässig ist." Gutachter Claus Köhler schärft auch schon mal die Klingen. Über die Einlassungen der Behördenvertreter, so der Münchner Anwalt, "kann trefflich gestritten werden".

Spätestens ab jenem Tag, da Deutschlands Häuser samt vieler ahnungsloser Bewohner im Internet zu besichtigen sind.