"Dokument des Widerstands gegen den Großen Bruder"

10.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:19 Uhr
Der Münchner Schriftsteller Friedrich Ani. −Foto: Felix Hörhager (dpa)

Der Münchner Schriftsteller Friedrich Ani über den NSA-Skandal, die Rolle der Politik und den Aufruf gegen Datenspionage.

Herr Ani, Sie sind einer der Unterzeichner des Aufrufs gegen Datenspionage. Was war denn Ihre erste Reaktion auf Edward Snowdens Enthüllungen über die NSA-Praktiken

Friedrich Ani: Ich war verblüfft, dass so viele Leute und vor allem so viele Politiker so getan haben, als wäre das etwas völlig Neues. Mich hat das nicht überrascht. Wozu gibt’s denn Geheimdienste?

Wie bewerten Sie die anfängliche Reaktion der Bundesregierung auf diese weltweite Ausspähung?

Ani: Zunächst einmal halte ich die letzte Bundesregierung für die unpolitischste, die wir je hatten. Und die neue wird mit einer geschrumpften SPD wohl kaum besser sein. Die Reaktion unserer Regierung auf Snowdens Enthüllungen habe ich als zynisch empfunden. Wenn Kanzleramtsminister Ronald Pofalla einfach behauptet, die ganze Angelegenheit sei erledigt . . . Genauso gut hätte er jegliche Kriminalität für beendet erklären können. So nach dem Motto: Die Bundesregierung hat ja alles im Griff.

560 Autoren rufen jetzt zur Verteidigung der Demokratie auf. An wen richtet sich dieser Appell?

Ami: Er richtet sich natürlich an die Regierenden, vor allem aber an die Bevölkerung. Es ist ein Appell an die Bürger, sich zu erheben – gegen die zunehmende Vergläserung des Menschen. Nur ein Beispiel: Erst in diesen Tagen gab es Massenabmahnungen für Leute, die im Internet auf einer bestimmten Porno-Seite unterwegs waren. Das muss man sich mal vorstellen: Da weiß eine Firma nicht nur, dass der und der im Internet Pornos anschauen, sie haben sogar die Anschrift dieser Leute.

Wie, glauben Sie, wird die Politik auf den Aufruf der Autoren reagieren?

Ani: Die Regierungen werden jetzt erst mal alle in den Keller gehen und herzlich über uns lachen . . .

Das klingt aber nicht sehr hoffnungsvoll.

Ani: Ich bin tatsächlich nicht allzu optimistisch, sehe allerdings auch nicht gänzlich schwarz. Es gibt schließlich so viele Unterzeichner aus so vielen Ländern – ich denke nicht, dass es sich die Politiker werden leisten können, diesen Appell ungehört verhallen zu lassen. Ich halte es sogar für möglich, dass sich die amerikanische Regierung um Präsident Barack Obama damit auseinandersetzen wird.

Warum sollte sie das tun – ausgerechnet jetzt?

Ani: Weil in den vergangenen Wochen sehr viel in Bewegung geraten ist in dieser ganzen Angelegenheit. Denken Sie nur an die Internetfirmen. Wenn sich jetzt sogar ein Unternehmen wie Google ausgespäht fühlt, ist das schon ein Zeichen dafür, dass sich da etwas tut. Ich glaube fest an die Wirkung unseres Aufrufs. So etwas hat es noch nie gegeben. Für mich ist die Aktion so vieler Autoren und anderer Intellektueller ein großartiges Dokument des Widerstands gegen den Großen Bruder.

Das Interview mit Friedrich Ani führte unser Redakteur Peter Felkel.