Ein ganzes Jahr Wartezeit

Wer in Ingolstadt und der Region eine Mammografie machen lassen möchte, muss viel Geduld mitbringen

02.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:00 Uhr
Die Mammografie soll helfen, Brustkrebs bei Frauen möglichst frühzeitig zu erkennen. Allerdings dauert es in Ingolstadt bis zu einem Jahr, um einen Termin zu bekommen. −Foto: Poujoulat, AFP

Ingolstadt - Im vergangenen Oktober hatte Eleonore R.

 

(Name geändert) es das erste Mal versucht. Sie rief im Diagnosticum Bayern-Mitte in Ingolstadt an und bat um einen Termin für eine Mammografie. "Da bin ich vertröstet worden, man hat mir gesagt, ich soll mich in vier Wochen wieder melden", sagt die Ingolstädterin. Die 84-Jährige versuchte es daraufhin im Radiologischen Zentrum Ingolstadt, das Ergebnis war indes dasselbe: Auch hier wurde sie abgewiesen. Seither unternahm sie Monat für Monat einen neuen Anlauf in beiden Einrichtungen, bis heute klappte es nicht. "Es fehlt an Personal, haben sie gesagt. " In ihrer Not wandte sie sich jetzt an die Zeitung, denn sie möchte die Untersuchung aus einem guten Grund rasch erledigt wissen: Eleonore R. war bereits an Brustkrebs erkrankt, sie nimmt die Vorsorge sehr ernst.

Da hilft es der Frau nichts, wenn Fachleute erklären, eine Verzögerung von drei bis fünf Monaten sei nicht relevant. "Du lebst halt in ständiger Angst, dass der Krebs wieder ausbricht. " Die Mammografien seien da immer eine große Beruhigung gewesen. Aber die bekommt sie nicht. Unsere gestrige Nachfrage in der Region ergab ein insgesamt wenig erfreuliches Bild: Im Diagnosticum in Ingolstadt beträgt die Wartezeit mittlerweile ein ganzes Jahr, die Einrichtungen in Manching und Neuburg bieten vorerst gar keine Termine an. Wer den Weg nach Weißenburg in Kauf nimmt, muss ein halbes Jahr "anstehen". Für Eleonore R. ein Unding: "Ich fahre mit meinen 84 Jahren doch nicht durch die Gegend. "

In Pfaffenhofen gibt es ein vergleichsweise kleines Mamma-Zentrum, wo derzeit knapp drei Monate Wartezeit normal sind. "Natürlich haben wir einen Puffer, wenn Akutfälle anfallen", hieß es dort gestern. "Wenn jetzt aber Leute von überall her kommen, geht bei uns auch bald nichts mehr. " Fachleute sprechen bereits von einer "Krisensituation in der Region". Personal zu finden, sei schwer, auch mit dem Nachwuchs in der Branche sehe es nicht gerade rosig aus. "Das ist schon erschreckend", sagt ein Insider.

Zumindest das Radiologische Zentrum in Ingolstadt will ab nächster Woche wieder Mammografie-Termine anbieten, "im Rahmen unserer Möglichkeiten", bestätigt dessen Leiter Emil Cordier. Die Ressourcen waren seit September bis zuletzt aber sehr begrenzt, weil eine Fachkraft das Haus verlassen hatte und eine andere krankheitsbedingt längere Zeit ausfiel. Auch im Diagnosticum Bayern-Mitte liegt das Problem vordergründig beim fehlenden Personal: "Eine Ärztin hat uns Ende voriges Jahr verlassen, sie war eine von zwei Fachkräften", sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Rudolf Conrad. "Die ganze Arbeit bleibt nun an dem anderen Arzt hängen", erklärt er die Misere mit den Terminen.

Eine weitere Kraft einzustellen, scheitere nach seinen Worten auch am Finanziellen, weil die Leistungsvergütungen nach seiner Einschätzung viel zu gering seien. "Wir Radiologen bekommen für Mammografien 19 Euro pro Patientin und Quartal - das beinhaltet je zwei Aufnahmen jeder Brust plus eine Ultraschalluntersuchung, sollte sie zusätzlich nötig sein. Ein Gynäkologe erhält für dieselbe Leistung 79 Euro", sagt Conrad.

Ein Kenner der Gesundheitsbranche bestätigt unserer Zeitung, dass "Radiologen bayernweit die ungenügende Leistungsvergütungen bemängeln". Angeblich sollen in Nürnberg bereits einige Praxen wegen Unwirtschaftlichkeit ganz zugemacht haben. In München würden Patientinnen aus Ingolstadt mitunter abgewiesen.

Den Frauen hier ist es egal, was hinter den Kulissen abgeht - sie wollen vor allem Klarheit, wann sie endlich Termine für Mammografien bekommen, ohne monatelang ausharren zu müssen. "Wir wissen, dass es Wartezeiten gibt", teilt dazu die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) mit. Deshalb sollten Folgetermine gleich beim aktuellen Termin vereinbart werden. Finde sich kurzfristig keine Möglichkeit, "hilft auch die Terminservicestelle unter der Rufnummer 116117 weiter".

Eleonore R. ist kein Einzelfall. Ihre 57-jährige Tochter hatte zuletzt nach Bekunden ihrer Mutter ebenfalls vergeblich versucht, einen Termin zu kriegen. "Sie ist durch meine Erkrankung vorbelastet und muss besonders aufpassen", sagt die 84-Jährige. Ähnliche Erfahrungen hat auch Angelika E. (Name ebenfalls geändert) aus einem Ingolstädter Stadtteil gemacht. "Im Januar war ich bei der Frauenärztin, die mir zu einer Mammografie geraten hat, weil meine Mutter an Brustkrebs gestorben ist", berichtet die 71-Jährige. Sie sei dann am Diagnosticum abgewiesen worden, "mit der Begründung, sie hätten keinen Arzt. Ich habe es dann in Neuburg probiert, mit demselben Ergebnis". Dort habe man ihr geraten, nach Roth in Mittelfranken zu fahren, "aber das kommt für mich gar nicht infrage". Beim Radiologischen Zentrum hatte sie ebenfalls kein Glück. Sie fragte bei der Krankenkasse nach, die sie an die KVB verwies. Dort habe man was von einem "Code" erzählt, den sie für die Frauenärztin brauche, wovon diese aber wieder nichts wusste. Die Ingolstädterin hat resigniert: "Ich bin jetzt soweit, dass ich selber 60 Euro zahle und eine Ultraschalluntersuchung machen lasse, um das zu beenden. "

DK

 

Horst Richter