Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) sieht in Kreuzen, die in Eingangsbereichen staatlicher Gebäude hängen, im Wesentlichen passive Symbole «ohne missionierende und indoktrinierende Wirkung». Das geht aus der schriftlichen Begründung des Urteils hervor, mit dem das Gericht Anfang Juni Klagen gegen den sogenannten Kreuzerlass von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zurückgewiesen hatte - die Urteilsgründe wurden nun veröffentlicht.
Die seit 2018 geltende Vorschrift besagt, dass in jedem staatlichen Gebäude in Bayern ein Kreuz hängen muss. Dagegen hatte der religionskritische Bund für Geistesfreiheit ebenso Klage eingereicht wie 25 Unternehmer, Politiker und Kulturschaffende. Sämtliche Klagen wies der VGH Anfang Juni ab. Hinsichtlich der Klagen des Bundes für Geistesfreiheit ließ das Gericht allerdings die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Der Bund für Geistesfreiheit kündigte daraufhin umgehend an, man halte an der Klage fest und werde «den Klageweg bis zum Bundesverfassungsgericht weiterverfolgen».
Die Kläger hatten unter anderem argumentiert, der Kreuzerlass bedeute eine Bevorzugung der christlichen Kirchen und damit eine «substanzielle Benachteiligung» der Kläger - dies widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Neutralitätsgebot des Staates. Landesanwalt Marcus Niese hatte dagegen betont, der Freistaat bringe «das Kreuz nicht in seiner Eigenschaft als religiöses Symbol an», sondern als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns - so stehe es auch in der entsprechenden Vorschrift.
Im schriftlichen Urteil, das der VGH am Dienstag veröffentlichte, heißt es freilich: «Das Kreuz ist ein Symbol christlicher Religion und kann nicht isoliert nur als Symbol der geschichtlichen und kulturellen Prägung verstanden werden.» Die Anbringung von Kreuzen im Eingangsbereich von Dienstgebäuden verstoße gegen die Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität. «Für den Nichtchristen oder den Atheisten wird das Kreuz gerade wegen der Bedeutung, die ihm das Christentum beilegt und die es in der Geschichte gehabt hat, zum sinnbildlichen Ausdruck bestimmter Glaubensüberzeugungen und zum Symbol seiner missionarischen Ausbreitung», so das Gericht.
Doch weiter führt das Gericht dann aus: «Ein Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität, der sich in einer bloß passiven Verwendung eines religiösen Symbols ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung erschöpft und mit keinen weiteren Nachteilen für andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verbunden ist, verletzt weder deren Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit noch auf Gleichbehandlung.» Der Eingangsbereich eines Dienstgebäudes stelle im Wesentlichen einen Durchgangsbereich dar, der nicht dem längeren Verweilen diene. Behördenbesucher seien also nur flüchtig mit den Kreuzen konfrontiert - anders als bei Kreuzen in Klassenzimmern.
Zudem wies das Gericht inzwischen auch Anträge auf Zulassung der Berufung von 25 Einzelpersonen zur Entfernung der Kreuze ab.
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