„Heute zu Ende zu bringen“
Urteil im Boateng-Prozess erwartet - Razzia beim Sicherheitsdienst des Fußball-Stars

02.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:51 Uhr

München: Der Fußball-Profi und ehemalige Nationalspieler Jerome Boateng (M) kommt zu Beginn der Fortsetzung im Berufungsprozess mit seinen Anwälten Norman Gelbart (l) und Peter Zuriel in den Gerichtssaal des Landgericht München I. −Foto: Sven Hoppe/dpa

Der Prozess gegen Fußball-Star Jérôme Boateng soll nach dem Willen des Gerichts noch am Mittwoch zu Ende gehen. Doch Boateng lehnt seinen Richter ab.



Er plane, das Verfahren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung „heute zu Ende zu bringen“, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Forstner. Er rief die Verteidigung auf, das Verfahren nicht künstlich mit zahlreichen Beweisanträgen in die Länge zu ziehen. Die Staatsanwaltschaft warf Boatengs Anwälten vor, nur „schmutzige Wäsche waschen“ zu wollen.

Boateng lehnt seinen Richter ab

Boateng lehnt den Richter in seinem Körperverletzungs-Prozess ab. Seine Verteidiger stellten am Mittwoch vor dem Landgericht München I einen Befangenheitsantrag gegen Richter Andreas Forstner. Der gebe „zu erkennen, dass sich zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend auswirken kann und wird“, sagte Boatengs Anwalt Norman Nathan Gelbert. Der Angeklagte müsse darum davon ausgehen, dass „das Urteil schon feststeht“.

Forstner hatte die Verteidiger zuvor aufgerufen, das Verfahren nicht mit zahlreichen Beweisanträgen künstlich in die Länge zu ziehen, und gesagt, Prozessverhalten könne sich auf die Strafzumessung im Urteil auswirken. Das Gericht lehnte den Befangenheitsantrag ab. „Der Antrag dient lediglich der Verfahrensverschleppung“, sagte Forstner. „Verfahrensfremde Zwecke“ seien damit beabsichtigt. „Rügen Sie das in der Revision und gut ist“, sagte Forstner, als die Verteidigung weiter über den Antrag diskutieren wollte.

Forstner hatte zuvor betont, er wolle das Verfahren, für das ursprünglich zwei Verhandlungstage angesetzt waren, am Mittwoch, dem dritten Prozesstag zu Ende bringen.

1,8 Millionen Euro

Der 34 Jahre alte Boateng ist angeklagt, weil er 2018 seine damalige Partnerin in einem Karibik-Urlaub beleidigt, geschlagen und verletzt haben soll. Das Amtsgericht München hatte ihn im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt. Weil alle Prozessbeteiligten Rechtsmittel gegen dieses Urteil einlegten, startete im Oktober der Berufungsprozess.

Verhandlungen zum Strafmaß abgelehnt

Das Angebot des Landgerichts München I, die Berufung in der Sache zurückzunehmen und nur noch über das Strafmaß zu verhandeln, hatte Boateng, der die Vorwürfe bestreitet, sich vor Gericht dieses Mal aber nicht selbst äußerte, zweimal ausdrücklich abgelehnt. Das Gericht hatte ursprünglich nur zwei Verhandlungstage angesetzt, Mittwoch war bereits der dritte Tag im Prozess.

Derweil hat die Staatsanwaltschaft München I in einer großangelegten Razzia Gebäude der Sicherheitsfirma durchsucht, die Jérôme Boateng zu seinem Schutz bei Gericht engagiert hatte. Auch der Kleintransporter, mit dem Boateng zu seinem Prozess gefahren worden war, wurde am Mittwoch vor dem Gerichtsgebäude durchsucht, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Anne Leiding, mitteilte.

Wirbel um Boatengs Sicherheitsdienst

Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Boateng, betonte sie, sondern gegen vier Mitarbeiter des von ihm beauftragten Security-Dienstes. Neben dem Wagen vor dem Münchner Gericht seien außerdem weitere Objekte in Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg durchsucht worden. Dabei seien auch die Gegenstände, nach denen die Staatsanwaltschaft suchte, sichergestellt worden.

Der Chef der Sicherheitsfirma wurde nach Angaben Leidings befragt. Die Firma sei von nun an auch nicht mehr für den Schutz von Boateng vor Gericht zuständig, das sei nun Sache der Justizwachtmeister.

Wurde eine Zeugin am zweiten Prozesstag gefilmt?

Hintergrund der Ermittlungen ist ein Zwischenfall mit dem Sicherheitsdienst am zweiten Prozesstag vor knapp zwei Wochen. Eine Zeugin hatte in dem Verfahren angegeben, sie sei beim Hineingehen ins Gerichtsgebäude gefilmt worden und fühle sich bedroht. Justizbeamte stellten daraufhin die Personalien der Personen fest, die mutmaßlich an dem Vorfall beteiligt waren.

− dpa