Er versucht, Menschen zusammenzubringen: Sohiel Partoshoar arbeitet beim Hessischen Rundfunk als Community-Stratege und berät den programmgestaltenden Bereich. Den Stellenwert von Beziehungsarbeit im Journalismus anzuerkennen ist sein Wunsch. Allerdings stellt er fest: „Wir sind noch nicht so weit.“
Vielmehr ist ein Umdenken nötig. Er spricht über positives Feedback auf Kommentare, die Möglichkeit, junge Zielgruppen zu finden, und vor allem: den Stellenwert von Beziehungsarbeit.
Herr Partoshoar, wie beschreiben Sie Ihren aktuellen Job in vier Worten?
Sohiel Partoshoar: Community Management, Strategie, Beziehungsarbeit, Diskurs.
Was können Redaktionen von Ihrer täglichen Arbeit lernen?
Partoshoar: Ein Problem, das der Journalismus an vielen Stellen noch hat, ist, dass man zu sehr im Sender-Empfänger-Prinzip verharrt und eine Hierarchie aufrechterhalten will, die es seit Social Media schlicht nicht mehr geben kann und darf. Sich darauf einzulassen und den Wert von Beziehungsarbeit im Journalismus anzuerkennen – das wäre mein großer Wunsch.
Was genau bedeutet Beziehungsarbeit? Wie sieht das aus?
Partoshoar: Nun, früher hat man einen Beitrag produziert, abgegeben und abnehmen lassen – fertig. Für mich wird es erst danach so richtig spannend: Wie wird der Bericht wahrgenommen? Welche Rückfragen kommen auf? Fehlen Aspekte oder Perspektiven, die wir nicht abgebildet haben? Wo entstehen Diskussionen zwischen unseren Nutzerinnen und Nutzern?
Und vor allem: Welche Schlüsse ziehen wir aus alldem? Journalistische Beziehungsarbeit ist Qualitätsarbeit. Viel Aufwand, der aber nachhaltig Vertrauen, Relevanz und im Übrigen auch Reichweite schafft.
Ist Beziehungsarbeit immer zeit- und personalintensiv?
Partoshoar: Klar ist: Das kann kein Sparprogramm sein. Die große Pein kommt aber auch daher, weil journalistische Beziehungsarbeit oft eben kein Geschäftsfeld war und in bestehenden Strukturen mit hohem Aufwand nachgerüstet wurde. Mit einer integrierten Strategie sähe das ganz anders aus.
Wo liegen die Vorteile für Medienhäuser in so eine Beziehungsarbeit zu gehen?
Partoshoar: Im ersten Schritt könnten sie ein präziseres Verständnis für die eigene Leserschaft, das eigene Publikum gewinnen: Welche Zielgruppen nutzen die Angebote regelhaft? Welche werden offenbar vernachlässigt? Welche Bedürfnisse äußern sie, welche Themenvorschläge ergeben sich daraus? Dieser bedürfnisorientierte Ansatz kann die eigene Berichterstattung stärken und weitere Zielgruppen erschließen, Jüngere zum Beispiel.
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Sie stehen für Beziehungsarbeit ein, doch nicht immer trifft das auf Verständnis. Mit welchen Problemen haben Sie zu kämpfen bei der Anerkennung ihrer Arbeit?
Partoshoar: Da muss ich kurz ausholen. Ich habe 2021 im Hessischen Rundfunk als Redaktionsvolontär angefangen, damals unter dem Slogan: „Wir wollen jünger, diverser, digitaler werden.“ Ich habe aber nicht die Offenheit vorgefunden, die dafür erforderlich ist. Es reicht nicht, kosmetische Maßnahmen vorzunehmen und ab und zu ein „diverses“ Gesicht vor die Kamera zu stellen.
Wir müssen an die Strukturen ran, an die publizistische Identität: Wer sind wir eigentlich? Was wollen wir sein? Und warum machen wir nicht allen Menschen ein adäquates journalistisches Angebot, so wie es unser Auftrag verlangt? Das tut weh. Ich habe das Gefühl, dass diesen Schmerz erstaunlich wenige Menschen aushalten können, die eigentlich für Antworten bezahlt werden.
Wie würden Sie sich wünschen, dass es in fünf Jahren ausschaut?
Partoshoar: Ich glaube nicht, dass wir in fünf Jahren einen bestimmten Idealzustand erreicht haben werden. Das ist aber auch gar nicht der Punkt: Ich glaube, dass wir den Journalismus prozessualer betrachten und uns selbst immer wieder anpassen und vor allem hinterfragen müssen. Die gesellschaftlichen, aber auch technologischen Rahmenbedingungen verändern sich so schnell, dass wir als Journalistinnen und Journalisten Wandlungsfähigkeit zum Kern unserer DNA machen müssen.
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