Kommandant berichtet
„So einen Einsatz noch nie gehabt“: Wie die Feuerwehr das S-Bahn-Unglück erlebt hat

16.02.2022 | Stand 16.02.2022, 11:56 Uhr

Die eingedrückte Frontpartie einer der beiden S-Bahnen. Die Feuerwehrkräfte bargen teils mit Spezialgeräten die Passagiere und Mitarbeiter aus dem Zug. Foto: Freiwillige Feuerwehr Hohenschäftlarn

Von Katarina Cavar



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Die beiden mit 95 Menschen besetzten Bahnen waren am Montagnachmittag im Berufsverkehr auf eingleisiger Strecke frontal zusammengestoßen. Ein Fahrgast wurde getötet, 18 Menschen wurden verletzt. Die Ermittlungen zur Unfallursache laufen, vermutet wird menschliches Versagen.



Unter den ersten Einsatzkräften, die am Montag an der Strecke eintrafen, war Daniel Buck, Kommandant der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr Hohenschäftlarn. In seiner Stimme ist herauszuhören, wie sehr ihn der Einsatz immer noch beschäftigt. „Das Ausmaß des Einsatzes war schon...puh...eine Herausforderung“, ringt er um Worte. Als Feuerwehrler habe er schon viele großflächige Brände und schwere Autobahnunfälle betreut, „aber so einen Einsatz habe ich noch nie gehabt“, sagt er am Mittwoch im Gespräch mit der PNP.

„Und dann prasselt alles auf einen ein“


Als Daniel Bucks Truppe am Montag als erste der über 700 Einsatzkräfte am Unglücksort eintraf, war erst gar nicht klar, dass auf der eingleisen Strecke nahe des Bahnhofs Schäftlarn im Landkreis München zwei S-Bahnen frontal miteinander kollidiert waren. „Wir hatten zuerst gedacht, da sein nur ein Zug entgleist“, berichtet Buck. „Und dann prasselt alles auf einen ein.“ Viel Zeit, um überwältigt zu sein vom Ausmaß des Unglücks, blieb dem Feuerwehrkommandanten nicht: Er musste sofort funktionieren und seinen Kameraden Aufträge erteilen. Der erhöhte Bahndamm, wo die Züge kollidiert waren, stellte sich als Herausforderung heraus: Hier mussten die Feuerwehrler sich erst einmal mit Motorsägen einen Weg durchs Gestrüpp bahnen, dann noch das schwere Equipment hochschleppen.

Während sich ein weiterer Feuerwehrtrupp um den einen Zug kümmerte, begannen Buck und seine Kameraden aus Schäftlarn damit, die Personen aus der anderen S-Bahn zu bergen. „Ich habe schon einige Großeinsätze geleitet, aber das hat alles gesprengt. Das kann man nicht trainieren“, erzählt Buck.

Triage im Zuginneren: Viele Verletzte erstmal liegen gelassen

Im Zuginneren bot sich den Ersthelfern ein chaotisches Bild: Der vordere Teil der S-Bahn war völlig zerstört, Fahrgäste lagen teils eingeklemmt unter Trümmern, viele riefen um Hilfe. „Drinnen sind wir gleich nach dem Triage-Prinzip vorgegangen“, erklärt Buck. „Man schaut, welche Person redet noch mit dir - die lässt man erstmal liegen, so hart wie es klingt. Aber wenn sie sich artikulieren, weiß man: Dem geht es noch gut.“ Die Feuerwehr-Kräfte kümmerten sich zunächst um die Schwerverletzten. Dazu zählte auch der Lokführer der S-Bahn, „er konnte sich noch vor der Kollision in Sicherheit bringen, aber wurde schwer verletzt“, so der Feuerwehrkommandant. Buck und seine Truppe bargen auch einen schwerst verletzten 24-jährigen Afghanen. Später wurde bekannt: Der 24-Jährige ist das einzige Todesopfer des Unglücks.

So hektisch die Ereignisse auch waren: Als Feuerwehrkommandant behielt Daniel Buck den Überblick über seine Einsatztruppe, was am meisten ihn selbst überraschte: „Ich war von mir selbst erstaunt, wie ruhig ich dann doch geblieben bin.“ Einen großen Teil dazu beigetragen hat auch die laut Buck gute Organisation vor Ort: Trotz der über 700 Einsatzkräfte sei alles geordnet abgelaufen. „Jede Institution - Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei - hat einen Einsatzleiter, der für seine Leute das Kommando übernimmt“. Einen Überblick über die Gesamtlage behielt der Kreisbrandrat. „Alle Einsatzkräfte haben eine super Arbeit geleistet“, lobt Daniel Buck. „Da ist man am Ende des Tages auch ein bisschen stolz.“