Eine Region unter Wasser: Baar-Ebenhausen steht für die Fluten, die die Städte und Gemeinden im Paartal zwischen Aichach und der Donaumündung vor zwei Monaten heimsuchten. Foto: Hauser

Es ist eine unglaubliche Summe zusammengekommen: Fast 950.000 Euro haben Leserinnen und Leser des Donaukurier und seiner Heimatzeitungen über die DK-Fluthilfe und Familien in Not in den vergangenen Wochen gespendet – was für ein Signal für all jene, die vom Hochwasser betroffen sind und die nun auf weitere Zuschüsse hoffen dürfen.



Auf den ersten Blick scheint die Welt (fast) wieder in Ordnung zu sein. Ein paar mehr Handwerkerautos als sonst sind unterwegs, hie und da steht ein Container, der früher nicht da war – die Realität hinter den Haustüren ist eine andere: Dutzende Familien mussten umziehen, und nicht wenige können von Glück reden, wenn sie vor Weihnachten wieder in ihr Zuhause zurückkehren können. Nicht wenige Geschäftsleute stehen vor der Pleite. Das Juni-Hochwasser hat Hunderte Menschen existenziell bedroht.

Wie hoch die Schäden tatsächlich sind, das kann bestenfalls geschätzt werden, weil viele der Betroffenen keine Elementarversicherung haben – weil es niemanden gibt, der sie ob der Lage nahe eines Gewässers versichern will. Im Pfaffenhofener und Schrobenhausener Raum kursieren Zahlen in Größenordnungen zwischen jeweils 50 und 100 Millionen Euro. In Aichach ist es nicht ganz so dramatisch, aber trotzdem schlimm.

Schlafzimmer, Esszimmer, Küche, Bad – alles kaputt

Grund genug für viele, viele Menschen, diejenigen, die in Not sind, nicht allein zu lassen. Viele kleine Sammlungen am Rande von Veranstaltungen brachten am Ende stattliche Beträge zusammen. Der Kreisfischereiverein Schrobenhausen sammelte mit Steckerlfisch 6000 Euro, es gab gleich mehrere Benefizkonzerte – Privatinitiativen, Schulaktionen, Vereinsprojekte –, teilweise kamen enorme Summen zusammen.

Im Landkreis Pfaffenhofen nimmt die Abwicklung der Fluthilfe zunehmend an Fahrt auf. Rund 85.000 Euro an Spendengeldern wurden in den vergangenen Tagen bereits vom Pfaffenhofener Verein Familien in Not für geprüfte Härtefälle ausbezahlt – und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Der amtierende zweite Vorsitzende des Hilfsvereins, Hermann Heubeck, hat in den vergangenen Tagen in Baar-Ebenhausen Straßenzüge besucht, die stark von der Flut getroffen wurden. Dabei machte er sich bei einigen Antragstellern selbst ein Bild von den Schäden.

Besonders im Gedächtnis bleibt ihm ein älteres Ehepaar, das nicht versichert war. Einen halben Meter hoch schoss das Wasser durch das Erdgeschoss. „Schlafzimmer, Esszimmer, Küche, Bad – alles kaputt“, erzählt Heubeck. Die Möbel sind hin. Böden, Putz und Estrich müssen erneuert werden. Mit den zwischenzeitlich bewilligten Hilfsgeldern sollen nun erst einmal Baumaterialien gekauft werden, weil die Betroffenen notgedrungen möglichst viele Reparaturen selbst ausführen wollen – damit das Haus vor dem Winter irgendwie wieder bewohnbar wird. „Da ist das Geld gut angelegt“, ist Heubeck überzeugt.

Das System, auf das sich alle Beteiligten – die Caritas Schrobenhausen, Familien in Not Pfaffenhofen und die Bürgerstiftung Aichach – verständigt haben, sieht so aus: Grundlage für die Antragsprüfung ist ein bewilligter Soforthilfeantrag, denn damit ist schon mal ein Schaden festgestellt. Allein im Landratsamt Aichach-Friedberg sind 447 Anträge auf Sofort- und Härtefallhilfen eingegangen; insgesamt sind es rund 3000. In Aichach sind davon 360 entschieden, bei einzelnen davon fehlen lediglich noch Unterlagen. Auch die anderen Landratsämter kommen gut voran.

Verlag und Redaktion danken allen Spendern

Mit dem Bewilligungsbescheid werden zugleich Informationen versandt, wie man an die DK-Fluthilfe-Gelder kommen kann. In Aichach, in Schrobenhausen und in Pfaffenhofen – denn hier, entlang der Paar waren die meisten Betroffenen – findet die Bedürftigkeitsprüfung statt. Von den Hilfsorganisationen werden zunächst vorab erste Zuschüsse überwiesen, sollten am Ende alle Antragsteller bedacht worden und noch Geld übrig sein, soll es zu einer zweiten Verteilrunde kommen. Aber das dauert noch. Aktuell gilt es, die schlimmste Not zu lindern, gerade dort, wo es ans Existenzielle geht. Weil Hochwasseropfer kein Geld von der Bank bekommen, etwa, wenn alle Kreditrahmen ausgeschöpft sind.

Mit dem Monat Juli endet die aktive Sammlung der DK-Fluthilfe. Verlagsleitung und Redaktion danken allen Spenderinnen und Spendern aufs Herzlichste. Der Donaukurier und seine Heimatzeitungen wickeln die gesamte Aktion, all die Buchungen, die Spendenquittungen selbstverständlich ehrenamtlich ab; jeder Cent, der gespendet wurde, wird verteilt, in die Verwaltung fließen null Euro.

Soforthilfeanträge bis Ende August möglich



Hochwasserbetroffene, die erst jetzt aus dem Gröbsten heraus sind, langsam wieder durchatmen können, sollten in den nächsten Wochen bei ihren Landratsämtern Soforthilfeanträge stellen, das ist noch bis Ende August möglich. Wenn die anschließende Prüfung durch die Vergabeausschüsse positiv ausfällt, gibt es womöglich zusätzliche Entlastung aus den Mitteln, die Hunderte Menschen über die DK-Fluthilfe eingebracht haben – um die Not ein wenig zu lindern.

In den Gemeinden und Landkreisen wird derweil nach vorne geschaut: „Wir brauchen ein Katastrophenschutzzentrum“, sagt der Aichach-Friedberger Landrat Klaus Metzger. 160 Liter Regen an zwei Tagen – statt 87 Liter im Monat – sind am 31. Mai und 1. Juni niedergegangen. Für solche Situationen müsse man künftig gewappnet sein.

Kommunen an der Paar wollen zusammenarbeiten

Die zwei Landkreise Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen schieben, mit Unterstützung von Aichach-Friedberg, eine kommunale Allianz an: „Die Paar muss ganz gedacht werden, von oben nach unten.“ Zu den ersten Treffen kamen Landräte und Bürgermeister. Die Idee: Je weniger Wassermassen ankommen, desto eher wirken örtliche Schutzmaßnahmen. Es sollen so früh wie möglich Rückhalteräume (zum Beispiel das Paartal südwestlich von Schrobenhausen, im Volksmund „Goachat“ genannt) genutzt werden, damit das Hochwasser aus der Paar nicht ungebremst nach Norden fließt und dort Keller, Straßen, Orte überflutet. Werden auch Landstraßen noch höher gesetzt, wirken diese wie Wälle.

Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner macht den Betroffenen Mut: „Wir könnten im kommenden Jahr mit ersten Projekten anfangen.“ Man will einen schnellen interkommunalen Hochwasserschutz entlang der Paar. Das nächste Hochwasser kommt bestimmt.

DK

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