Von Christine Schröpf
Die traurige Nachricht verbreitete sich in Windeseile und löste bei vielen Menschen große Betroffenheit aus: Die ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm ist nach längerer Krankheit am Mittwochmorgen im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt Würzburg gestorben.
In den vergangenen Wochen war Stamm – schon von der Krankheit gezeichnet – noch bei einer Reihe von Terminen gewesen. Auch den politischen Gillamoos in Abensberg hatte sie an der Seite von Ministerpräsident Markus Söder besucht. Der Landtag hatte am Morgen den Tod der früheren Präsidentin vermeldet. „Ich bin zutiefst getroffen von der Nachricht vom Tod meiner Amtsvorgängerin“, sagte die Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Barbara Stamm habe sich in ihrer politischen Karriere großen Respekt und hohes Ansehen erworben. „Wir verlieren mit ihr ein großes Vorbild für Frauen in der Politik, eine leidenschaftliche Kämpferin für die Schwachen in der Gesellschaft und eine überzeugte Demokratin.“
Barbara Stamm war von 1976 bis 2018 Mitglied des Bayerischen Landtags und von 2008 bis 2018 die erste Frau an der Spitze des hohen Hauses. Sie zählte zu denjenigen in ihrer Partei, die soziales Gewissen verkörpern. In ihrer Kindheit hatte sie selbst erlebt, was es bedeutet, unter sehr schwierigen Verhältnissen aufzuwachsen.
Gleich am Morgen gab es zahlreiche Reaktionen auf die Todesnachricht, die alle von tiefem Bedauern geprägt waren. „Ich verneige mich vor ihrem Lebenswerk. Sie war Mutter Bayerns und Ihrer Hilfsbereitschaft und Wärme ein großes Vorbild – auch für mich ganz persönlich“, schrieb Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in sozialen Netzwerken. Für Donnerstag und den Tag der Beisetzung ordnete er Trauerbeflaggung an allen staatlichen Dienstgebäuden an. Am Mittwoch hingen bereits im Landtag die Fahnen auf Halbmast. Dort liegt auch ein Kondolenzbuch aus.
Der Landtagsvizepräsident und SPD-Politiker Markus Rinderspacher zollte Stamm ebenfalls Respekt: „Sie hat den bayerischen Parlamentarismus in herausragender Weise repräsentiert. Mit Leidenschaft rang sie um die besten Lösungen in Respekt vor den demokratischen Mitbewerbern. Ihr fränkischer Flair gab jeder Begegnung Charme und Empathie.“
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer würdigte Stamm als „große Politikerin“. Er habe „in all den Jahrzehnten nicht viele von einem solchen Format kennengelernt“, sagte Seehofer der Deutschen Presse-Agentur. „Mir selbst war sie in Koalitionsverhandlungen und anderen Spitzengesprächen in Bonn und Berlin immer eine wichtige und unverzichtbare Begleiterin. Wenn sie dort das Wort ergriffen hat, hat jeder zugehört. Ihre Stimme hatte Gewicht, sie war über Parteigrenzen hinaus respektiert und geachtet. Vor allem in der Sozialpolitik war sie unübertroffen.“ Stamm hinterlasse in Bayern und in der CSU eine große Lücke, „die nur schwer zu schließen sein wird“. Franz Löffler, Chamer Landrat und Präsident des Bayerischen Bezirketages, sagte: „Mit ihrem Wirken hat Barbara Stamm erheblich zu einer sozial gerechteren Gesellschaft beigetragen. Barbara Stamm war und bleibt ein prägendes Vorbild in der Politik.“
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm lobte Stamms Durchsetzungskraft: „Sie hat ihre christlichen Werte in der Politik tatsächlich gelebt. Auch gegen Widerstände in ihren eigenen Reihen ist die biblische Option für die Schwachen immer wieder als Leitkriterium für ihr politisches Handeln deutlich erkennbar geworden, etwa in ihrem Einsatz für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen, in ihrem Einsatz für Inklusion von Menschen mit Behinderung oder in ihrer Sensibilität für von Armut betroffene Menschen.“
Ähnlich äußerte sich Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann: „Sie scheute nicht zurück, ihre eigene Partei zu kritisieren, wenn ihr das ,Christliche‘ oder ,Soziale‘ in der CSU zu kurz kam. Sie hat sich nicht verbogen, sondern ihre Werte und Überzeugungen immer standhaft vertreten. Als diese starke Frau werde ich sie in Erinnerung behalten.“
Barbara Stamm ist tot. Das ist ein riesiger Verlust für das soziale Bayern und darüber hinaus. Sie war das soziale Gewissen dieses Landes. Noch im September habe ich mit ihr lange gesprochen. Was für ein toller Mensch. Ich verbeuge mich. #RIPBarbaraStamm https://t.co/pRWRv2YJWw — Marcus Mittermeier (@MMittermeier) October 5, 2022
Der in Regensburg lebende Schauspieler Marcus Mittermeier meldete sich via Twitter zu Wort: „Sie war das soziale Gewissen dieses Landes. Noch im September habe ich mit ihr lange gesprochen. Was für ein toller Mensch. Ich verbeuge mich.“
Barbara Stamm gehörte dem Bayerischen Landtag 42 Jahre lang an, war als Staatssekretärin und Staatsministerin über dreizehn Jahre hinweg ununterbrochen Mitglied der Bayerischen Staatsregierung und von 1998 bis 2001 Stellvertretende Ministerpräsidentin des Freistaats Bayern. In der CSU war sie von 1993 bis 2017 stellvertretende Parteivorsitzende. Daneben engagierte sich Stamm in zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen für das Allgemeinwohl.
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