Der Konflikt zwischen Tierschutz und Landwirtschaft prallt beim Wolf seit Jahren vehement aufeinander. Bayerns Wirtschaftsminister nennt einen Superlativ und erntet dafür umgehend Widerspruch.
In Deutschland gibt es nach Aussage von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger die höchste Wolfsdichte weltweit. „Deutschland hat mit rund 2000 Wölfen die höchste Wolfsdichte, und jetzt halten Sie sich fest, weltweit die meisten Wölfe pro Quadratkilometer gibt es im dicht besiedelten Deutschland“, sagte der Freie-Wähler-Politiker in München nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts. Überprüfen lässt sich die genannte Zahl nicht – gleichwohl wurden umgehend Zweifel daran laut.
Schätzungen des Bauernverbandes liegen noch höher
Auf Nachfrage erklärte Aiwangers Ministerium, die Zahl basiere auf einer Schätzung, welche wiederum auf einer Schätzung des Deutschen Bauernverbandes fußt. Der Verband bezifferte die Wolfspopulation für 2023/2024 mit einer Spanne von 1800 bis 3300 Tieren.
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Zuständig für die Erfassung der Wolfspopulationen in Deutschland ist die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf - hier werden keine absoluten Zahlen genannt, vielmehr werden Angaben zu nachgewiesenen Einzeltieren, Welpen und Rudeln und den von ihnen beanspruchten Territorien aufgelistet. Für 2022/23 werden 185 Rudel, 45 Paare und 22 Einzeltiere erwähnt, für 2023/24 wirkt die Liste mit 78 Rudeln, acht Paaren und sieben Einzeltieren noch sehr vorläufig.
Wolfsexperte: Aiwangers Zahlen weichen von Monitoringzahlen des Bundes ab
„Die von Aiwanger genannten Zahlen weichen um mehr als das Doppelte von den Monitoringzahlen des Bundes ab“, sagte Uwe Friedel, Wolfsexperte beim Bund Naturschutz. Es stimme zwar, dass die Dichte der Wölfe in Deutschland weltweit im Spitzenbereich sei. „Die Dichte pro Fläche ergibt sich aber nicht aus der Landesgröße, sondern aus dem Futterangebot. Und da wir auch bei der Rehdichte weltweit mit an der Spitze liegen, gibt es auch mehr Wölfe pro Fläche. Herr Aiwanger als Jäger sollte eigentlich wissen, dass die Wilddichte weder beim Reh noch beim Wolf von der Bevölkerungsdichte abhängt.“
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Aus Aiwangers Sicht muss der Bund beim Wolf umgehend den günstigen Erhaltungszustand feststellen und damit eine Bejagung ermöglichen. Bisher genießt der Wolf in Deutschland als streng geschützte Art, auch nach EU-Recht, einen besonderen Schutz. Für Aiwanger ein Unding, denn obwohl es etwa in Schweden oder Finnland weniger Wölfe gebe, würden die Tiere dort sehr wohl bereits bejagt. Dies sei umso drängender, da sich laut Aiwanger der Bestand pro Jahr um rund 30 Prozent erhöhe.
Ruf nach mehr Herdenschutz für Weidetierhalter
Friedel sieht das völlig anders: Nicht die Wolfsdichte in Deutschland sei entscheidend für den Umgang mit den Tieren, für ein geordnetes Nebeneinander von Wölfen und Nutztieren sei es vielmehr entscheidend, diese zu schützen: „Wenn Herr Aiwanger die Bejagung als Lösung für die Weidetierhalter darstellt, lässt er sie ins offene Messer laufen. Das Beispiel Norwegen sollte als Warnung dienen: Hier reißt ein Wolf vierzigmal mehr Schafe als in Schweden. In beiden Ländern wird bejagt, aber in Schweden wird Herdenschutz betrieben, während die Schafe in Norwegen in Freiweide unterwegs sind. Das zeigt mehr als deutlich: Am Herdenschutz geht kein Weg vorbei.“
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Bezüglich der Ankündigung der Staatsregierung, die in der vergangenen Woche vom Verwaltungsgerichtshof für nichtig erklärte Wolfsverordnung neu auflegen zu wollen, erinnert Riedel an die sehr geringe Wolfsdichte in Bayerns Alpenregionen: „Im Moment haben wir hier lediglich ein Einzeltier im Allgäu und ein Wolfspaar am Staffelsee.“ Die Wolfsverordnung sollte eine schnellere Entnahme der Wölfe ermöglichen, auch dann, wenn nicht nachgewiesen ist, dass ein Wolf ein Nutztier gerissen hat.
Bund Naturschutz droht mit neuer Klage
Der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner, sieht der Neuauflage relativ gelassen entgegen: „Die Bayerische Staatsregierung rennt damit sehendes Auges in die nächste gerichtliche Schlappe. Denn eins ist klar: Sollte es wirklich so weit kommen, werden wir aller Voraussicht nach wieder klagen. Nur weil die alte Verordnung lediglich wegen eines Formfehlers zu Fall gebracht wurde, ist sie inhaltlich ja nicht weniger problematisch.“
− dpa
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