Aufklärung bis in die Spitze der Hierarchie: Der frühere Regensburger Bischof und Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller soll Post aus Regensburg bekommen. Absender ist die Kanzlei von Ulrich Weber. Der Jurist hat kürzlich den Auftrag erhalten, Missbrauchsfälle im Bistum Regensburg aufzuklären.
„Wir werden bei unseren Befragungen bis hoch in der Hierarchie gehen. Das beinhaltet auch, dass wir auf Kardinal Müller zugehen werden“, sagte Weber zur Mediengruppe Bayern (Dienstagsausgabe).
Wie alle Priester und Diakone aus dem Bistum Regensburg soll Müller von der Kanzlei angeschrieben werden. „Jeder Priester, jede Pfarrgemeinde, jeder Gemeindereferent bekommt von uns nun einen Brief, in dem wir das Vorgehen mitteilen“, sagte Weber. „Neben den Gesprächen und dem Blick in die Archive haben wir auch noch andere Möglichkeiten und Quellen, um Fälle zu identifizieren, die noch unbekannt sind im Bistum. Am Ende tragen wir das alles zusammen und schreiben den Bericht.“
Pädophiler Priester arbeitete wieder mit Ministranten
In Müllers Zeit als Bischof von Regensburg zwischen 2002 und 2012 fiel auch ein Fall eines pädophilen Priesters, der zuvor wieder eingesetzt wurde, obwohl er bereits 1999 in Viechtach zwei Brüder im Alter von neun und zwölf Jahren sexuell missbraucht hatte. 2000 wurde der Pfarrer zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt verbunden mit der Auflage, den Kontakt zu Kindern zu meiden. Als Pfarrer von Riekofen (Landkreis Regensburg) missbrauchte er einen Ministranten und wurde 2007 verhaftet.
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Das Landgericht Regensburg verurteilte den Mann zu drei Jahren Haft und Unterbringung in einer Psychiatrie. Müller wies jede Verantwortung für die Wiedereinsetzung des Priesters von sich, scheiterte in Gerichtsverfahren gegen Medienberichte aber vor dem Bundesgerichtshof. Der Priester wurde später laisiert. Vorgeworfen wurde Müller auch, eine Aufarbeitung von Missbrauchsfällen bei den Domspatzen zumindest ausgebremst zu.
Bistum beauftragt Anwalt
Das Bistum Regensburg hat bei Weber ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sexuelle und physische Gewalt durch Priester und kirchliche Mitarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg aufarbeiten soll. Federführend hatte die Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAK) den Auftrag ausgearbeitet. Weber ist kein Unbekannter: Der Jurist hatte bereits einmal im Bistum Regensburg ein Gutachten erstellt: 2017 legte er ein Gutachten über Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen vor. Weber identifizierte mit seinem Team etwa 550 Opfer bei dem weltberühmten Chor. 49 Täter stufte Weber dabei als hochplausibel ein.
Auch die Rolle von Georg Ratzinger wurde thematisiert
Im März 2023 legte Weber zudem ein Gutachten über Missbräuche im Bistum Mainz vor. In beiden Fällen gerieten prominente Kirchenmänner in den Fokus: Bei den Domspatzen wurde die Rolle des früheren Domkapellmeisters und Bruders von Papst Benedikt, Georg Ratzinger beleuchtet. Laut dem Bericht habe der 2020 verstorbene Musiker und Geistliche selbst auch körperliche Gewalt angewandt. Die Schilderungen variierten allerdings stark: Während ihn die einen als streng und autoritär, aber nicht als bösartig beschrieben, erinnerten sich andere an körperliche Gewaltanwendungen und verbale Aggressionen. Auch Bistum Mainz beleuchtete Weber Vorfälle im Zusammenhang mit dem Mainzer Domchor. Der 2018 verstorbene Kardinal Karl Lehmann soll dabei die Opfer beschwichtigt haben und ihnen geraten haben, das ihnen Widerfahrene „gutsein“ zu lassen.
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