München
"Wettbewerb ist erstrebenswert"

Bayerns Kultusminister Spaenle über den Bildungsföderalismus und Forderungen nach einem bundesweiten Zentralabitur

11.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr
Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) −Foto: Kay Nietfeld (dpa)

Herr Spaenle, Bildungsexperten von SPD und CDU haben allen deutschen Ministerpräsidenten einen Brief geschickt, in dem sie eine grundlegende Reform der Bildungspolitik und unter anderem ein Zentralabitur fordern. Warum bleibt die CSU außen vor?

Ludwig Spaenle: Die Vergleichbarkeit des Abiturs will ich durch einen Staatsvertrag der Länder fest verankern. Für diese Idee habe ich auch andere Länder wie Sachsen und Hessen gewonnen. Und auf diesem Weg ist von Bayern aus einiges geschehen. Die deutschen Länder haben sich nicht zuletzt auf Initiative von Bayern bereits 2008 auf den Weg gemacht, bei Abiturprüfungen mehr Vergleichbarkeit in den Anforderungen zu realisieren. Mittlerweile hat auch die Kultusministerkonferenz als Ganzes den Weg beschritten: einheitliche Standards für die einzelnen Fächer - Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch - und auf diesen aufbauend einen Aufgabenpool, aus dem sich die Länder für die Abiturprüfungen in wichtigen Fächern mit bedienen. Erstmals wurde auf dieser Grundlage 2017 das Abitur geschrieben. Diesen Weg setzen wir fort. Wir werden damit mehr Vergleichbarkeit erreichen.

 

Wie stehen Sie zu einem deutschen Zentralabitur?

Spaenle: Ein Zentralabitur halte ich für den falschen Weg, weil wir die Qualität des Gymnasiums und Abiturs in Bayern erhalten wollen. Und es muss auch die Möglichkeit geben, Besonderheiten der einzelnen Länder bei Abiturprüfungen zu berücksichtigen. Deutschland ist anders als etwa Frankreich kein Zentralstaat, sondern lebt ganz wesentlich von den Besonderheiten der Länder. Aber ich möchte - idealerweise eben auf dem Fundament eines Staatsvertrags der Länder - eine Vergleichbarkeit der Abschlussprüfungen verbindlich festschreiben.

 

Die Kultuspolitiker beklagen die "fehlende Vergleichbarkeit" zwischen den Bildungssystemen in Deutschland. "Damit verschärfen die regionalen Disparitäten die ohnehin schon zu große Bildungsungleichheit in unserem Schulsystem", heißt es in dem Brief. Sehen Sie das anders?

Spaenle: Ich bin ein überzeugter Verfechter für mehr Vergleichbarkeit in den Leistungsanforderungen an die Schülerinnen und Schüler in den deutschen Ländern und habe dazu eigens mehrfach einen Staatsvertrag der Länder als stärkstes Mittel der Selbstbindung vorgeschlagen. Eine höhere Vergleichbarkeit der Anforderungen ermöglicht auch eine stärkere Annäherung von Bildungsinhalten. Aber ich bin Verfechter eines differenzierten Schulwesens, das für Schülerinnen und Schüler je nach Begabung und Interessen Angebote mit besonderen Fördermöglichkeiten vorsieht. Manche anderen Länder reden eher den Gesamtschulen in unterschiedlichen Modifikationen das Wort. Ein gewisser Wettbewerb ist - das will ich gern noch ergänzen - aber durchaus erstrebenswert. Das führt zu Anstrengungen bei allen Ländern, aus dieser Verantwortung dürfen wir uns Länder nicht entlassen.

 

Kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zum Numerus clausus festgestellt, dass die Abiturnoten zwischen den Bundesländern nicht vergleichbar seien. Damit nehme man in Kauf, dass Studienplatzbewerber "erhebliche Nachteile erleiden", je nachdem, wo sie das Abitur abgelegt haben. Was wollen Sie zu einer Lösung beitragen?

Spaenle: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 19. Dezember grundsätzlich das derzeitige Vergabeverfahren von Studienplätzen für zulassungsbeschränkte Studiengänge bestätigt. Aber es hat auch die Länder dazu aufgefordert, die Vergabe zulassungsbeschränkter Studiengänge - hier konkret der Humanmedizin - zu modifizieren, weil sie nicht der Verfassung entsprechen. So soll zum Beispiel die Abiturnote nicht das einzige Kriterium für die Zuweisung eines Studienplatzes sein. Auch sollen Ortspräferenzen der Studierenden künftig weniger stark berücksichtigt werden. Schließlich soll ein Ausgleichsmechanismus erarbeitet werden, der die Unterschiede der Noten in den einzelnen Ländern zur Geltung bringt. Diesen Auftrag werden wir Kultusminister bis Ende 2019 umsetzen.

 

Worin liegt der Sinn, bayerische Gymnasiasten so heftig ranzunehmen, ehe sie das Abitur bekommen? Man kann das schließlich auch so sehen: Bayern nimmt seinen Gymnasiasten systematisch Chancen, die andere Bundesländer ihren Gymnasiasten bereitwillig gewähren.

Spaenle: Das Abitur gilt in Bayern als Ausweis für eine anspruchsvolle Allgemeinbildung und die Studierfähigkeit. Wir tun unseren jungen Leuten keinen Gefallen, wenn wir diese Hürde absenken, nur weil möglicherweise in einzelnen anderen Ländern das Abiturzeugnis leichter vergeben wird. Wir nehmen damit unseren Gymnasiasten keine Chancen, sondern statten sie vielmehr mit den nötigen Kompetenzen und Inhalten aus, die sie nach dem Gymnasium für ihren weiteren Weg gut brauchen können. Im Übrigen erzielen unsere Abiturienten trotz des hohen Leistungsanspruchs unserer Gymnasien einen im Bundesvergleich ganz weit vorne liegenden Landesdurchschnitt in der Abiturprüfung. Sie haben damit auch im Wettbewerb um Studienplätze, die über NC vergeben werden, sehr gute Chancen. Aber es bleibt mein Ziel, die Vergleichbarkeit weiter zu erhöhen, ein Staatsvertrag der Länder ist dazu das wirkungsvollste Instrument. ‹ŒDK

 

Die Fragen stellte

Alexander Kain.