München
Wer übernimmt den Wiesn-Sanitätsdienst?

Stadtverwaltung muss sich zwischen dem Bayerischen Roten Kreuz und einem Privatanbieter entscheiden

15.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:33 Uhr

München (DK) Seit mehr als 130 Jahren kümmert sich das Rote Kreuz um die medizinischen Notfälle auf dem Münchner Oktoberfest. Jetzt bewirbt sich ein kommerzieller Sanitätsdienst in einer europaweiten Ausschreibung um den Auftrag.

In den vergangenen Jahren gab es während des 16 Tage dauernden größten Volksfests der Welt mit seinen rund sieben Millionen Besuchern zwischen 6000 und 8000 Patienten - meist waren das Alkoholvergiftungen, Schnittverletzungen, Knochenbrüche oder Kreislaufzusammenbrüche. Darum kümmert sich die Sanitätsstation im Servicezentrum Theresienwiese (SZT). Die Kranken und Verletzten versorgt seit 1885 der Kreisverband München des Bayerischen Roten Kreuzes.

2011 forderte Brüssel von der Landeshauptstadt, den Sanitätsdienst künftig europaweit auszuschreiben - und zwar für zunächst drei, später vier Jahre. In diesem Jahr erfolgt die Vergabe für den Zeitraum von 2018 bis 2021. In den vergangenen Jahren hatte das BRK keine Konkurrenten. Doch in diesem Jahr gibt es einen Mitbewerber: das Unternehmen Aicher-Ambulanz aus München, ein kommerzieller Anbieter in den Bereichen Sanitätsdienst und Krankentransport.

Das BRK ist dagegen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Man habe "die Mitgliederstärke, die Erfahrung und die Technik", versichert Münchens Kreisverbandschef Karl-Heinz Demenat in einem Schreiben an seine Mitglieder, und man erfülle "alle Anforderungen der Landeshauptstadt perfekt". Doch auch Aicher ist von sich überzeugt: "Die Stadt München hat in ihrer Ausschreibung zu Recht sehr hohe Hürden für die Bewerber gesetzt. Wir haben festgestellt, dass wir diese Voraussetzungen erfüllen", so Ulrike Krivec, die Leiterin der Unternehmenskommunikation.

Noch läuft die Ausschreibung, mit einer Entscheidung wird aber bald gerechnet. Klar ist auch: "Der Zuschlag muss gemäß dem Vergaberecht an den Bieter erteilt werden, der zur Leistungserbringung geeignet ist und das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat", erläutert Wolfgang Nickl, Pressesprecher des Referats für Arbeit und Wirtschaft in der Münchner Stadtverwaltung.

Beim BRK sieht man den letzt genannten Aspekt mit Skepsis: "Unserer Meinung nach sollte bei der Sicherstellung der medizinischen Notfallversorgung einer so wichtigen Veranstaltung nicht nur der Preis entscheiden", findet Kreisverbandschef Demenat. Dass die Übernahme des Sanitätsdiensts auf der Wiesn sich für einen kommerziellen Anbieter lohnt, ist ein offenes Geheimnis.

Der Sanitätsdienst auf der Wiesn hat in all den Jahren gut funktioniert - das liegt auch an den tausenden Ehrenamtlichen des Roten Kreuzes aus ganz Deutschland. Dass all diese Menschen sich künftig auch in den Dienst von Aicher stellen, davon geht die Firma aus: "Die Tätigkeit auf der Wiesn ist wohl für viele ein fester Bestandteil ihrer Ferienplanung", glaubt Unternehmenssprecherin Krivec. "Daher werden wir keine Personalprobleme haben."

Für Leonhard Stärk, den Landesgeschäftsführer des BRK, ist das eine ziemlich optimistische Annahme. "Was passiert denn, wenn es der Mitbewerber am Ende doch nicht schaffen sollte, weil ihm das Personal fehlt? Dann wird vermutlich die Rettungsleitstelle angerufen, ein Notfall verkündet - und unsere Leute rücken trotzdem aus, weil sie sich der Hilfe ja gar nicht entziehen können und wollen."