Manching
Video: Mal ganz neue Saiten

03.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:13 Uhr
Musik ist ihre Passion: Deshalb weiß die Studentin genau, was ein gutes Instrument ausmacht. −Foto: Hausmann

Manching - Sammlerstücke aus Müll: Die angehende Musiklehrerin Anna Katharina Müller aus Geisenfeld baut ihre eigenen Instrumente und zeigt damit, wie Nachhaltigkeit auch in der Musik funktioniert.

Hier spielt die Musik: Aus einer alten Zigarrenkiste baut sie eine Gitarre, aus einem Benzinkanister einen Bass. Was vermeintlich Müll ist, wird unter ihren Händen zu einem professionell klingenden Instrument mit Sammlerwert. Die angehende Lehrerin Anna Katharina Müller baut in ihrer Werkstatt in Manching (Kreis Pfaffenhofen) eigene Musikinstrumente - ein außergewöhnliches Talent, das sich nicht nur sehen lassen kann.

Die Werkzeuge, darunter Feilen und Sägen, reihen sich an der Wand auf, sie sind griffbereit für den nächsten Einsatz. Zielsicher greift die junge Frau nach einem Brett, befestigt ein langes Stück Holz in einer Klemme. Es kann losgehen. Heute entsteht aus einer Zigarrenkiste eine sogenannte Cigar Box Guitar, ein echtes Sammlerstück und vielen Musikliebhabern mehrere hundert Euro wert. Doch der Studentin geht es rein um die Musik.

Anna Katharina Müller, 22 Jahre alt, arbeitet in der Werkstatt vor sich hin, sie summt leise eine Melodie. Mit rhythmischen Bewegungen fährt sie über das Holzstück, das später als Gitarrenhals fungieren wird. Die Holzspäne rieseln auf den Boden, türmen sich zu einem kleinen Häufchen auf. Ein Instrument zu bauen bedeutet viele Stunden harte Arbeit. "Wenn ich wirklich ein Wochenende durcharbeite, kann ich ein Instrument in einem Rutsch fertigstellen. Aber ich lasse mir gerne mehr Zeit für meine Projekte", erzählt Anna Katharina Müller. Denn die Präzision ist auch für den späteren Sound entscheidend.

Die saubere Handarbeit macht sich bezahlt, davon zeugen auch ihre früheren Werke. In ihrer Freizeit baut die Studentin nicht nur Instrumente, auch Snow- und Surfboards, Brillen und Handyhüllen. Auf Youtube zeigt sie auf ihrem Account "Anna K. Müller Projekte" anderen Bastlern ihre neuesten Kreationen. Doch wo im Internet die Schnelligkeit regiert, steht die Zeit in der Werkstatt geradezu still. Nichts anderes ist entscheidend als der nächste Handgriff. Anna Katharina Müller greift nach Schleifpapier, um die Oberfläche des Holzes zu glätten. Mit geschultem Blick überprüft sie ihre Arbeit und fährt über die bearbeitete Stelle. Dabei schimmert ihr Ring am Finger, sie hat ihn aus einer Schraubenmutter gefertigt. Dann: innehalten.

Viel hat sich in der Werkstatt über die Jahre nicht verändert, seit Anna Katharina Müller in ihrer Kindheit mit ihrem Großvater zu schrauben und zu schleifen begann, nur die Projekte wuchsen mit der Zeit. Begonnen hatte alles mit einem Scheunenfund, erinnert sich die Geisenfelderin zurück. Sie wollten eine Archtop-Gitarre, ein speziell konstruiertes Modell, restaurieren. "Mein Opa sagte: ?Ich kenne mich mit dem Holz aus. Alles andere, wie es dann klingt, das musst du entscheiden'", erzählt sie und lächelt. Auf die Restaurierung folgte ein eigenes Musikinstrument - eine edle dunkelblaue E-Gitarre, es war ihr erstes gemeinsames Großprojekt. "Wir haben alles selbst gemacht, bis auf die Elektronik." Ihr Großvater starb vor zwei Jahren, doch bis heute arbeitet die Enkelin mit seinem Wissen und Techniken. Und auch mit der Musik sollte ihr Großvater Recht behalten: Die junge Frau weiß genau, was sie macht - die Instrumente klingen bühnenreif.

Zurück an die Arbeit, weiter geht es mit der Gitarre: Mit einer Abziehklinge schabt sie über den Gitarrenhals, um kleine Unebenheiten auszubessern. Ein letzter Blick, fertig. Jetzt sieht man, ob sich die saubere Arbeit gelohnt hat. Vorab hat sie bereits ein Loch in die Kiste gesägt - fügt sich nun der Hals in die vorgefertigte Form? Hals und Kiste passen perfekt ineinander, die metallenen Scharniere der Zigarrenbox schließen mit einem leisen Klicken.

In der Werkstatt wartet schon ihr neues Projekt auf die Studentin, ein Surfboard - ebenfalls aus Holz. "Mich interessiert die Thematik Holz unglaublich, es ist viel umweltfreundlicher als viele andere Materialien." Ihr großes Ziel: Irgendwann eine akustische Gitarre oder ein Cembalo selbst zu bauen. "Ich möchte durchdringen, wie diese Instrumente aufgebaut sind und wie sie funktionieren."

Musik ist ihre Passion, die sie zu ihrem Beruf macht. Die Geisenfelderin steht nun kurz vor ihrer Examensprüfung, danach möchte sie als Musiklehrerin und Schulpsychologin arbeiten. Beim Bauen der Instrumente verschmelzen Fachwissen und Pädagogik. "Später kann ich kleine Projekte oder einen Besuch eines Instrumentebauers bestimmt auch in den Unterricht einfließen lassen", erklärt sie und legt ihre halbfertige Cigar Box Guitar auf eine Ablagefläche. Das Grundgerüst des Instruments steht, in den nächsten Tagen kann sie es fertigstellen. Dann fehlt nur noch eins, der Schriftzug "Alm", ihr persönliches Markenzeichen für ihre ganz persönlichen Kreationen. 

DK

Anna Hausmann