Regensburg
Trambahn-Freunde wittern Morgenluft

27.07.2018 | Stand 02.12.2020, 15:59 Uhr
Neu und alt: Über mehrere Jahrzehnte fuhren die Regensburger mit der Stadtbahn. Doch dann war Schluss. Jetzt soll die Straßenbahn wieder zurück nach Regensburg kommen - das Symbolbild links zeigt, wie die Bahn womöglich aussehen könnte. −Foto: Fotos: OKB Atom, Schieferl

Regensburg (DK) Jetzt stehen sie gut geschützt in einem Depot.

Im Osten der Stadt auf einem Schrottplatz warten zwei historische Waggons auf ihren Einsatz. Der alte Triebwagen, noch völlig zerzaust vom Zahn der Zeit und der Beiwagen, Nummer 79, adrett und aufwendig restauriert. Die Bodendielen aus Kiefernholz, die Wände aus Eiche und Eichensperrholz. Die Sitze aus Buchenleimholz. Sie glänzen so herrlich, als hätten sie ihre beste Zeit noch vor sich. "Da habe ich mich durchgesetzt", sagt Martin Kempter, Straßenplaner und Tram-Enthusiast. Ginge es nach Kempter, dann würden sie beide wieder durch Regensburg zuckeln. Auf einer der noch vorhandenen Strecken, über die von 1903 und 1964 auch die beiden historischen Tramwagen fuhren. Die Straßenbahn war zu jener Zeit das modernste, was der öffentliche Nahverkehr zu bieten hatte. Am 1. August 1964 war plötzlich Schluss. Die Regensburger Straßenbahn rumpelte zum letzten Mal durch die Altstadt vorbei am Dom, dem Kneitinger und durch das Ostentor.

Thomas Friedrich erinnert sich gut daran, wie er in Studententagen mit dem Münzwechsler vor dem Bauch im heute vollständig restaurierten Beiwagen der Linie Eins seinen Dienst versah. Fünf D-Mark hat er damals in der Stunde verdient. "Das war eine irrsinnige Summe", sagt der pensionierte Jurist. Auf jedem Wagen fuhr ein Schaffner. Er öffnete die Türen, ließ die Fahrgäste ein- und aussteigen und verkaufte mit der "Stoss-Zange", einer monströsen Mechanik, die Fahrscheine. Das war ein kompliziertes System, sagt Friedrich mit Blick auf die Fahrbahn am Dom, über die heute nur noch Busse fahren. Es kam nicht selten vor, dass ein altgedienter Schaffner den Fahrgast fragte: "Sie, bittschön, was ham S' denn's letztmal zahlt? "

Zum Abschied spendierten die Regensburger Verkehrsbetriebe den Straßenbahnern ein Essen mit reichlich Freibier. Die Zukunft gehöre dem Bus, hieß es. Inzwischen wissen es die Experten besser: Moderne Stadtbahnen sind pünktlicher, weil sie auf der eigenen Trasse unabhängig sind vom Individualverkehr. Sie verursachen weniger Lärm und verpesten nicht die Stadtluft. Sie haben deutlich mehr Kapazitäten als ein Bus.

Und auch Kempter und Friedrich wittern Morgenluft. Jahrelang haben sie mit gut zwei Dutzend Tram-Freunden in Regensburg das Andenken an die Bahn wach gehalten. In Büchern, Broschüren, Vorträgen und Spendenaktionen. Sogar ein eigenes modernes Tram-Verkehrskonzept haben sie entwickelt. Knapp 100000 Euro hat der Verein "Interessengemeinschaft Historische Straßenbahn Regensburg" in den Beiwagen mit der Nummer 79 investiert. Für den Triebwagen wäre noch mal die Hälfte mehr nötig.

Ganz unabhängig davon, ob die historische Tram wieder durch die Regensburger Altstadt rumpelt: Der Aufwand hat sich schon jetzt gelohnt. Das Projekt Regensburger Straßenbahn hat nach Jahren des politischen Hin und Her wieder Fahrt aufgenommen. Ende Mai hat die Regensburger Rathauskoalition aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern die neue Stadtbahn mit nur einer Gegenstimme beschlossen. Im Bauausschuss, Wochen zuvor, fiel das Votum sogar einstimmig aus.

Jürgen Huber, grüner Umweltreferent und dritter Bürgermeister in Regensburg, ist froh, dass die ideologischen Grabenkriege um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vorbei sind und die Tram endlich im ökologischen Bewusstsein der Bürger angekommen ist. "Sie ist das einzige System, dass den ÖPNV nachhaltig aufwertet und attraktiv macht", sagt er. Die Stadt ersticke im Verkehrschaos. "Da helfen auch nicht noch mehr Straßen. "

Fürs Erste soll die neue Stadtbahn von Wutzelhofen im Norden in das Zentrum führen. Am Hauptbahnhof verzweigt sie sich in zwei Strecken nach Süden. Die eine führt zum Uniklinikum, die andere nach Burgweinting. Später soll das Streckennetz auf den Landkreis ausgedehnt werden. Kritiker würden den Landkreis gerne von Beginn an mit verpflichten. "Das ist das einzige Problem, dass ich sehe", sagt Kempter. Damit das richtig Sinn mache, müsse man umstiegsfrei in die Stadt und den Landkreis fahren können. Und vor allem gleich mit planen.

In anderen Städten blickt man indes ein wenig "neidvoll" nach Regensburg. "Oh ja", sagt Markus Stockmeier, "da bin ich schon ein bisschen neidisch". Der Ingolstädter Arzt kämpft seit drei Jahren mit einem eigenen Tram-Konzept für eine Ingolstädter Straßenbahn. Bedarf gebe es genug, sagt er. Auch Ingolstadt drohe der Verkehrsinfarkt und längst hätten sich auch dort Busse und Busspuren überholt. Die Stadtbahn würde, so glaubt er, auch die Innenstadt wieder beleben. Stockmeier ist bei der Wählergemeinschaft Unabhängige Demokraten Ingolstadt (UDI) aktiv und setzt sich für einen intelligenteren Nahverkehr ein. Da sei Ingolstadt weit hinten dran, sagt der Mediziner. Weil es kein echtes Bündnis für einen höherwertigen ÖPNV gebe. "Da können wir uns von Regensburg einiges abgucken. "

In zehn Jahren soll dort die Straßenbahn fahren. Ob der Beiwagen Nummer 79 auch wieder seine Runden dreht? "Wir wissen es nicht", sagt Kempter. Er sei zuversichtlich. "Trotzdem glaube ich das erst, wenn ich es sehe. " Das will er dann doch noch betonen, mit leicht skeptischem Unterton. "Das gilt auch für die Stadtbahn. "