Stadionumbau wird zur Posse

08.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:29 Uhr

Auf der Suche nach dem Puck: Beim Heimspiel gegen Straubing protestierten die Augsburger Eishockeyfans per Transparent gegen die schlechte Sicht im Stadion. - Foto: oh

Augsburg (DK) Noch im vergangenen April schwamm ganz Eishockey-Augsburg auf einer Welle der Euphorie. Die heimischen Panther wurden völlig überraschend deutscher Vizemeister, zudem hatte die Modernisierung des altehrwürdigen Curt-Frenzel-Stadions im Stadtrat längst eine breite Mehrheit gefunden. Mittlerweile ist die Begeisterung jedoch blankem Entsetzen gewichen. Denn der Umbau des Stadions, 16,2 Millionen Euro teuer, entwickelt sich mehr und mehr zur Posse.

Ihre Lieblinge in den ersten sieben Saisonspielen in der Deutschen Eishockeyliga (DEL) wegen der laufenden Bauarbeiten nur auswärts bewundern zu können, hätten die Anhänger wohl ertragen. Doch seit der Rückkehr in die Baustelle, zur Zeit beschränkt auf 2900 Zuschauer, kocht die Fanseele: Die miserable Sicht auf das Eis vergällt sogar den Treuesten den Spaß am Eishockey. "Es gibt gravierende Probleme", gibt Ulrich Müllegger zu, der Pressesprecher der Stadt.

Die Anhänger reagieren mit wütenden Protesten. "Wo ist der Puck", fragten sie während der Partien per Transparent, ihre Augen verbanden sie mit Mullbinden. "Die Spieler tauchen auf wie aus dem Nichts", beklagt Alexandra Weiß, Vorsitzende eines Fanklubs. Von der Osttribüne sei die Eisfläche nur teilweise zu sehen, die Spielerbänke gar nicht. Zusätzlich störe eine Mauer die Sicht. Als Hauptursache wurde der geringe Steigungswinkel der Tribüne von nur 26 Grad ausgemacht. In anderen Arenen sind bis zu 40 Grad Usus.

Und damit nicht genug. "Die Südtribüne ist zwar noch bis Ende Dezember gesperrt. Ich habe aber große Befürchtungen", berichtet Panther-Gesellschafter Lothar Sigl. Sogar der Blick auf die Tore könnte von der künftigen Fankurve aus eingeschränkt sein. Die kursierende Gleichung, wonach Sichtlinie gleich Torlinie sei, will im Fanlager niemand hören. Im Eishockey wird auch hinter den Toren gespielt.

Bei der Stadt versucht man zu retten, was zu retten ist. Mit Stefan Nixdorf aus Osnabrück wurde ein Stadionexperte mit einem externen Gutachten beauftragt. Oberbrügermeister Kurt Gribl (CSU) unterbrach seinen Urlaub und stellte einen Fünf-Punkte-Plan vor, darunter die Anhebung der Eisfläche um einen Meter.

"Ob das etwas bringt", fragt Weiß skeptisch. Auch werde es auf der Osttribüne nichts an der schlechten Sicht ändern, dass dort statt der Stehränge künftig Sitzplätze – eventuell versetzt wie im Kino – installiert werden.

Doch wer hat nun Schuld? Viele haben sich auf das Architekturbüro Hermann und Öttl aus München eingeschossen. Eine Stellungnahme wollte das Büro nicht abgeben. Gottfried Neumann, Ehrenpräsident des Vereins, hatte in einem Offenen Brief an OB Gribl in Anlehnung an den Streit um den Stuttgarter Hauptbahnhof von "Augsburg 21" geschrieben und gefragt: "Warum wurde ein Architekturbüro beauftragt, das keine Erfahrung im Sportstättenbau hat"

Die Stadt hofft, die Schuldfrage mithilfe von Nixdorfs Gutachten zu klären. "Dann werden wir die Verantwortlichkeiten klar benennen. Es geht auch um Schadensersatz", sagt Pressesprecher Müllegger und fügt an: "Wenn renommierte Architekten beauftragt sind und eine städtische Tochter die Bauausführung übernimmt, sollte man ein gutes Ergebnis erwarten können. Ein OB prüft jedenfalls keine Baupläne." Die Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung (AGS), verantwortlich für die Bauausführung, schweigt derzeit eisern.

Panther-Gesellschafter Sigl sieht die Verantwortung auch ohne Gutachten beim Architekten, unterstellt aber keine Absicht: "Das muss ein Unfall gewesen sein. So dämlich kann man ja gar nicht sein." Ob der Verein nicht früher hätte Alarm schlagen können? "Das Stadion gehört der Stadt, wir sind nur Mieter. Als Laie kann ich aus Plänen keine Sichtlinien auf das Eis herauslesen", so Sigl. Ins Projekt einbezogen worden sei der Verein von der AGS nur bis zum Beschluss im Stadtrat.

Bis dahin war der Vorentwurf eines anderen Architekten Favorit gewesen. Dieser hatte etwa eine Tribünenneigung von 35 Grad vorgesehen. Die Ausschreibung der Stadt gewonnen haben aber Hermann und Öttl. "Eine Entscheidung einer neutralen Sachverständigen-Jury", erklärt der städtische Pressesprecher Müllegger. Der Stadtrat sei darin aber nicht mehr eingebunden gewesen, wie die Rathausopposition jetzt moniert.

Während die Fanklub-Chefin Weiß fordert, "dass endlich jemand die Verantwortung übernimmt", lässt Sigl durchblicken, dass es zumindest mit den Behörden mittlerweile ein Stillhalteabkommen gibt. "Jetzt zu poltern, wäre kontraproduktiv. Bei der Stadt haben sie wohl nur geprüft, ob die Pläne baurechtlich passen, nicht die Sicht auf das Eis. Die sind so überrascht wie wir." Ende Oktober hatte er in der "Süddeutschen Zeitung" noch gesagt, er fühle sich schlecht betreut.

Die Hoffnung aller ruht nun auf Nixdorfs Gutachten. "Ich erwarte konkrete Vorschläge", sagt Sigl, der als Ultima Ratio gar einen Rückbau der Tribünen ins Spiel bringt. Stadtsprecher Müllegger will das nicht ausschließen: "Alles offen. Entscheidend ist das Gutachten."

Nixdorf möchte sich erst äußern, wenn seine Expertise steht. Wann das sein wird, lässt er offen, dem Vernehmen nach Anfang nächster Woche. Vielleicht kann er dann ein kleines bisschen Eishockey-Euphorie nach Augsburg zurückbringen.