Seit
Ein Höhepunkt der Nostalgie

27.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr

Foto: DK

Seit 60 Jahren fährt sie ganz nach oben auf das Laberjoch. Die Laber-Bergbahn in Oberammergau ist die einzige "Großkabinen-Zweiseil-Umlaufbahn" der Welt, die noch in Betrieb ist. Wir haben der "alten Tante" einen Besuch abgestattet.

Sie passt gut in den Zeitgeist. Retro ist schick. Auch am Berg. Trotz Hightech und Funktionskleidung ist die altertümliche Bahn äußerst beliebt. "Bitte klingeln", steht auf einem Zettel. An der Talstation der Laber-Bergbahn geht es nostalgisch zu und gemütlich.

Dabei sollte sie einst die Massen direkt von den Passionsspielen hinaufbringen, auf den 1684 Meter hohen Hausberg der Oberammergauer. Vollautomatisch und am liebsten rund um die Uhr. "Die hatten damals wirklich Dollarzeichen in den Augen", sagt Andreas Weber. Seit 18 Jahren wacht er als Betriebsleiter akribisch über jede Schraube, die hier verbaut wurde. "Auf geht's!", sagt er. Eine der vier niedlichen, blauweiß lackierten Gondeln kommt gerade um die Kurve. Dann schwebt sie samt Betriebsleiter und Journalistin fünf Meter pro Sekunde den Nordhang des Laberjochs hinauf.

Hoch oben über den Seilen breitet sich schönster weiß-blauer Bayernhimmel aus. Tief unter den Gondeln verläuft eine der steilsten Skiabfahrten Deutschlands. "Das ist nichts für Anfänger", warnt Weber, der auch Vorsitzender der Lawinenkommission ist. Nicht einmal für Einigermaßen-Könner. "Die Piste ist tief schwarz", sagt er. Unpräpariert und nur für die Profis geeignet. Im Sommer gibt es gute Wanderwege und einen grandiosen Blick über das Voralpenland bis nach München im Norden. Estergebirge, das Wettersteingebirge und die Ammergauer Alpen bilden auf der anderen Seite eine eindrucksvolle Kulisse.

Technisch war das putzige Retro-Bähnchen der letzte Schrei, als es am 21. Februar 1957 seine Jungfernfahrt antrat. Zuvor fuhren nur Materialseilbahnen mit der Zweiseil-Umlauftechnik. Dank besserer Seile konnten jetzt geschlossene Kabinen über eine Umlenkscheibe in Tal- und Bergstation mit gleichbleibender Geschwindigkeit fahren. Jede 330 Kilogramm schwer.

Bis heute schnurrt die Vintage-Bahn wie ein Kätzchen. Gleitet butterweich über das obere Tragseil. 2043 Meter lang, 25,5 Millimeter Durchmesser und 87 Tonnen Tragkraft. Ohne ein Rucken oder Zucken überwindet sie die 784 Höhenmeter von Oberammergau zum Gipfel des Laberjochs. Nicht einmal an den Seilbahnstützen muckt sie. Wie Bierdosen hängen die Gondeln am Kabinenbolzen und am Zugseil. 4070 Meter lang ist es, aber nur 19 Millimeter stark. Trotzdem hat es 27 Tonnen Zugkraft. "Das untere Seil zieht das ganze G'spiel", sagt Weber. Ungewöhnlich elegant und leise geschieht das. Grund ist das weit durchhängende Zugseil, erklärt Weber. Moderne Bahnseile sind straff gezurrt. So straff wie die Kostenkonzepte, die dahinter stehen.

"Der ,vollautomatische' Traum von einst war schnell geplatzt. Schon bei Baubeginn 1955 passten Konzept und Baupläne nicht mehr in das neue Regelwerk der Bauordnung für Seilbahnen. Erst kam die Insolvenz, dann die Rettung für die Bergbahn. Und aus den Massen wurde auch nur so viel, wie der Berg verträgt", sagt er.

Mehr als 4,2 Millionen Gäste hat sie seither auf den Gipfel gebracht. Und wieder hinunter. "Unfallfrei!", betont Weber. Barbara Schöneberger ist mit ihr hinauf und Jürgen Fliege. Bei allem Stolz muss Weber aber auch schmunzeln. "Großkabinen! Na ja. In den 50er-Jahren - sicher." Maximal elf Fahrgäste schaffen es in die Kabinen. Acht sind es sogar nur, wenn sie mit Skiern einsteigen.

Heute verbreiten die "Großkabinen", in denen sich die Fenster noch öffnen lassen und in denen stets ein Hocker steht, den Charme alter Seilbahntechnik. "Alt darf sie ja ruhig sein", sagt Weber. "Nur gepflegt muss sie sein." Bestrebungen, neue Gondeln mit mehr Kapazität einzusetzen, haben nie Fürsprecher gefunden. "Mir ist eine ältere ja lieber", sagt Weber. Wenn ein Problem auftaucht, bespricht man es. In neuen Bahnen sind so viele zertifizierte Bauteile verbaut; "die werden einfach durch ein Prüfprogramm gejagt und ausgetauscht". Mit der technischen Tüftelei, wie er sie mag, hat das wenig zu tun. Alleine deshalb ist dem Elektrotechnikingenieur die nostalgische Bergbahn so ans Herz gewachsen. "Da kommt auch der TÜV gerne", sagt er. Weil man bei der Laber-Bergbahn noch Herz braucht und Sachverstand.