Schrobenhausen
Schläge mit Faust, Stock und Gürtel

14.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:01 Uhr

Sonderermittler Sebastian Knott aus Ingolstadt zeigt, wie der damalige Stadtpfarrer Walter Mixa den Mittelfinger beim Zuschlagen nach vorn gestreckt haben soll. So hatten es ihm mehrere ehemalige Schrobenhausener Heimkinder glaubhaft berichtet. - Foto: Fahn

Schrobenhausen (DK) Bischof Walter Mixa hat nicht nur Watschn verteilt, sondern er hat Kinder verprügelt – daran bestand für Sonderermittler Sebastian Knott kein Zweifel, als er am Freitag seinen Abschlussbericht vorlegte. Von einer Veruntreuung von Stiftungsgeldern geht Knott aber nicht aus.

Wieder waren Dutzende Journalisten und Kamerateams nach Schrobenhausen gekommen, und wieder verlas der vom Kinderheim beauftragte Anwalt Knott eine lange Erklärung, in der er aus Gesprächen mit Zeugen zitierte und auch juristische Wertungen vornahm – 39 DIN-A-4-Seiten lang. Demnach erachtet er die Aussagen der ehemaligen Heimkinder, die Mixa vor allem in den 70er Jahren Prügel vorwerfen, "als glaubwürdig". Seiner Einschätzung zufolge wären damals strafrechtlich Körperverletzungen, gefährliche Körperverletzungen sowie der Tatbestand der Misshandlung von Schutzbefohlenen zu prüfen gewesen. Damals, denn alle im Raum stehenden Delikte sind längst verjährt.

Die klingen deswegen nicht minder schlimm. Als sie mit 13 Jahren aus dem Heim fortgelaufen und zurückgebracht worden war, sei sie mehrere Tage im Gästezimmer eingesperrt worden, erinnert sich eine frühere Heimbewohnerin. Dann kam Mixa, und er habe sie so stark geboxt, dass sie "gegen die Wand fiel und zusammenbrach." Mehrfach habe Mixa ihr befohlen wieder aufzustehen, um sie dann wieder zu boxen, dass sie zu Boden ging. Schwestern, die dabei waren, hätten Mixa angestachelt: "Hau nei!" Die Aussage ist für Knott "glaubhaft".

Auch eine andere Heimbewohnerin brach aus und wurde zurückgebracht. "Mixa haute ihr derart ins Gesicht, dass sie sich um die eigene Achse drehte", berichtet Knott aus seinen Ermittlungen. Danach habe ihr Mixa gesagt: "Ich möchte, dass du mich niemals vergisst. Dazu werde ich deine Zukunft ruinieren." In der Folge habe es mehrere Versuche gegeben, die Heimbewohnerin von der Realschule zu nehmen; eine Tante habe sie dann bei sich aufgenommen und ihr ermöglicht, doch noch die Mittlere Reife zu machen – mit Erfolg.

Die Vorwürfe ziehen sich wie ein roter Faden durch die Aussagen der früheren Heimkinder: Prügel mit der Faust, dem Stock, dem Gürtel und mit dem Teppichklopfer – mal vom damaligen Stadtpfarrer Walter Mixa, mal von den Mallersdorfer Schwestern, die wieder und wieder mit der Drohung "Warte nur, bis der Stadtpfarrer kommt!" zitiert wurden. Als eine Schwester bemerkte, dass ein Mädchen sich im Heim geschminkt hatte, wurde sie mit dem Scheuermittel "Ata" abgeschminkt, erzählt eine Bewohnerin. Mixa selbst soll die Kinder mit Formulierungen wie diesen bedroht haben: "In dir ist der Satan, den werde ich dir schon austreiben", oder: "Kind Gottes, nimm diese Strafe und tue Buße!" Mehrere Heimkinder reagierten auf die Prügel in ihrer Kindheit laut Knott traumatisiert, einer versuchte, "das Thema mit Alkohol zu bedecken". Mittlerweile befinde er sich nach einem Entzug als trockener Alkoholiker in einer Selbsthilfegruppe.

Etliche der elf von Knott zitierten Heimkinder erzählten neben den schlimmen Vorwürfen aber auch von Phasen, in denen sowohl Mixa als auch die Schwestern durchaus liebenswürdig gewesen seien. Einige der Mallersdorfer Schwestern und auch ein Kaplan namens Ruf hätten sich sogar besonders liebevoll und herzlich um die Kinder gekümmert.

Die Mallersdorfer Schwestern, so Knott, bestreiten nach wie vor, "Bestrafungen durch Stadtpfarrer Mixa" jemals miterlebt "oder gar angeordnet zu haben." Sie seien nach langen Schichten in den großen Gruppen überfordert gewesen und hätten auch nur eine geringe psychologische Qualifikation gehabt, gab der Sprecher der Schwestern, Martin Kugler, im Rahmen der Pressekonferenz zu bedenken.

Dass Geld der Waisenhausstiftung zweckentfremdet worden ist, stellte Knott ebenfalls nicht in Frage. Noch einmal zitierte er die Fälle, über die bereits berichtet worden ist – die Teppiche, die Antiquitäten, die Möbel, die teuren Geschenke für Neupriester, Wein für über 10 000 Mark, ein Solarium, die merkwürdigen Zahlungen in einer Größenordnung von über 80 000 Mark an jenen guten Mixa-Bekannten Rudolf Koletzko in Rom, unter anderem für einen wertlosen Piranesi-Stich, der nicht von Piranesi ist. Nach Durchsicht aller Unterlagen war Ermittler Knott insgesamt auf 78 800 Mark gekommen, die Mixa in mehreren Raten zurückbezahlt hatte. Ein Schaden sei dennoch entstanden – ein 23 000 Mark über Wert eingekauftes Kreuz und offen gebliebene Zinsen.

Für etliche der zu Beginn der Ermittlungen im Raum stehenden über 260 000 Mark hat Knott allerdings einen anderen Verantwortlichen ausfindig gemacht: den früheren, mittlerweile verstorbenen Heimleiter Fred Hasslbauer. Der habe sich mit Geschenken und Gefälligkeiten "einen Kreis von Unterstützern für seine Person und für das Heim verschafft", so Knott, darunter der Steuerberater des Hauses, der Hausarzt, auch ein zuständiger Beamter der Regierung. Zivilrechtlich, erklärte Knott, hätte es durchaus den einen oder anderen Ansatzpunkt gegeben – aber auch hier sei alles verjährt. Für eine strafrechtliche Würdigung – also der Tatbestand der Veruntreuung von Geldern – hätte damals aus seiner Sicht der nötige Vorsatz gefehlt.

Bischof Mixa selbst habe übrigens keine Stellungnahme abgegeben, und er habe auch bis zuletzt nicht mehr als "die ein oder andere Watschn" eingeräumt, berichtete Knott. Kurz vor der Pressekonferenz habe er aber Post von Mixas Anwalt bekommen. Schlusssatz: Bischof Mixa nehme die Unschuldsvermutung für sich in Anspruch.