Sachsen verbietet Gendern an Schulen: Vorbild für Bayern?

09.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:44 Uhr
Gender-Sternchen und ähnliche Schreibweisen dürfen an sächsischen Schulen nicht mehr verwendet werden. Das Kultusministerium in München sieht hier keinen Handlungsbedarf. −Foto: Denk, dpa

München - Lehrer_Innen, Schüler*Innen oder Rektor: Innen: Mit solchen Schreibweisen ist an sächsischen Schulen künftig Schluss.

Der weiß-grüne Freistaat verbietet das Gendern. Kultusminister Christian Piwarz (CDU): "Die Verwendung von Sonderzeichen, wie Gender-Stern, Gender-Doppelpunkt, Gender-Unterstrich oder Doppelpunkt im Wortinneren, erfüllt weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung noch entspricht sie den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks, welches die Grundlage für die deutsche Rechtschreibung bildet und somit auch für die Schulen gilt. " In den sozialen Netzwerken wird Piwarz dafür angefeindet.

Könnte ein solches Verbot auch in Bayern kommen? Das ist wohl gar nicht notwendig, denn hier geht man einen weniger konfrontativen Weg, ohne ein explizites Verbot auszusprechen. "Grundlage für die Rechtschreibung in Schulen, öffentlicher Verwaltung und Rechtspflege ist das Amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben wird", erläutert auf Nachfrage Daniel Otto, stellvertretender Sprecher von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). "Die in Bayern zugelassenen Schulbücher unterliegen ebenfalls diesen amtlichen Regelungen. " Fürs Piazolo-Ministerium heißt das: Lehrkräfte dürfen von Kindern nicht verlangen, Gender-Deutsch zu schreiben. Wenn diese von sich aus das Gender-Sternchen verwenden, gilt das als Fehler.

Das ist interessant, weil das bayerische Kultusministerium und das für die Hochschulen zuständige Wissenschaftsministerium eine unterschiedliche Linie fahren. Auch aus bayerischen Unis wurden zuletzt Fälle bekannt, wo es für Bachelor- oder Masterarbeiten - ungeachtet der eigentlichen fachlichen Leistung - Punktabzüge gab, wenn nicht gegendert wurde. Bis jetzt hat sich Ressortchef Bernd Sibler (CSU) nicht dazu geäußert. Allerdings genießen Hochschulen einen deutlich größeren Grad an innerer Autonomie als Schulen.

Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags, der sich in einem Gutachten vom 27. Februar 2020 mit der Frage beschäftigt, kommt zu keinem verbindlichen Urteil. Universitäten, heißt es, befänden sich "in einem Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaftsfreiheit und Loyalität gegenüber dem Staat". Vereinfacht: Ein Professor, der fürs Nicht-Gendern bestraft, handelt vielleicht fies - aber noch legal.

Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) sagt, zwar versuche sie bei öffentlichen Äußerungen, alle Geschlechter und sexuellen Identitäten bewusst und wertschätzend anzusprechen. Aber mit dem sprachlichen Gender-Gap - also der bewussten Pause beispielsweise zwischen "Zuhörer" und anschließendem "Innen" - tue sie sich schwer. Das sei mitunter auch eine Gratwanderung, berichtet die Präsidentin. Vor allem jüngere Lehrkräfte würden den Gap anmahnen: Ältere wären irritiert. "Aber eigentlich haben wir an den Schulen ganz andere, wichtigere Probleme", findet Fleischmann: "Lehrkräftemangel, Corona und die schlechte digitale Ausstattung. "

Dass an Bayerns Schulen gegendert wird, befürworten die Grünen im Landtag. "Vielfalt der geschlechtlichen Identität und der sexuellen Orientierung sind Charakteristika von demokratischen Gesellschaften und gehören damit auch in unsere Schulen", so Landtagsvizepräsident Thomas Gehring. "Wir finden es extrem wichtig, dass Schüler*innen in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden. " Er verweist auf seine Parteifreundin Theresa Schopper, die Kultusministerin von Baden-Württemberg. Die entschied, dass Lehrkräfte und Kinder an jeder Schule für sich entscheiden, wie sie es mit dem Gendern im Unterricht halten wollen. "Ganz ohne landesweiten Erlass. "

DK

Andre Paul