Rom
Papstsegen für Eichstätter Sternsinger

01.01.2015 | Stand 02.12.2020, 20:22 Uhr

Großer Moment mit Herzklopfen: Ulrich Bittl, Stefan Waldau und Charlotte Schön (von links) führten die Gabenprozession zu Papst Franziskus an. Stefan Waldau brachte eine Schatztruhe mit Wünschen der Ministranten mit - Foto: Gennari

Rom/Eichstätt (DK) Die Sonne versucht sich langsam durch die Wolken über dem noch menschenleeren Rom zu kämpfen. In den Straßen blinken Weihnachtsbeleuchtungen. Straßenarbeiter fegen letzte Spuren der ausgelassenen Silvesterfeiern entlang des Tibers weg. Immer wieder schauen die städtischen Angestellten ungläubig auf. Einige schütteln den Kopf, Polizisten recken neugierig ihre Köpfe aus den Polizeiautos, Touristen bleiben stehen und zücken ihre Handys: 15 Jugendliche in Brokatgewändern mit Kronen auf ihren Köpfen laufen strammen Schrittes hinter drei gelben Holzsternen her. Ihr Ziel: der Petersplatz. Die Sternsinger der Eichstätter Dompfarrei sind auf dem Weg zu Papst Franziskus. Dort repräsentieren sie an diesem Neujahrstag die rund 300 000 Kinder und Jugendlichen in ganz Deutschland, die in den kommenden Tagen diesen alten Brauch pflegen und den Neujahrssegen in die Häuser und Wohnungen bringen.

Mitten drin sind Charlotte Schön, Stefan Waldau und Ulrich Bittl. Sie führen in wenigen Stunden die Prozession zur Bereitung der Gaben von Brot und Wein an, begegnen Papst Franziskus. Schon am Vortag haben sie intensiv mit dem päpstlichen Zeremoniar Guido Marini geprobt. Noch bevor die drei allerdings an den Altar treten, darf Maria Habisch, eine Sängerin der Jugendkantorei am Eichstätter Dom, die deutsche Fürbitte vortragen. Dass aber alle an diesem Tag etwas besonderes sind, stellt Leni Schädeli nach der ersten Sicherheitskontrolle fest: „Wir sind hier voll die VIPs.“ In der Tat: Die Sternsinger müssen nicht wie die übrigen 10 000 Menschen, die an diesem Morgen zum Papstgottesdienst strömen, in langen Schlangen anstehen. Von einem Schweizer Gardisten begleitet geht es über den Eingang, den auch die Kardinäle und Botschafter benutzen, in den Petersdom. Der Protokollchef des Papstes, José Avelino Bettencourt, begrüßt die Sternsinger mit Handschlag.

Jetzt heißt es aber erst noch warten: Fast zwei Stunden müssen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Begleitern, zu denen auch der Präsident des Kindermissionswerks, Prälat Klaus Krämer, gehört, ausharren. Dann betritt Papst Franziskus den Petersdom – unter den Klängen eines fast 6000 Stimmen starken Chores. Die „Pueri Cantores“, unter denen auch 40 Sänger der Eichstätter Dommusik sind, gestalten die Messe musikalisch mit. Die Jugendkantorei bekommt aber keinen Sitzplatz mehr, muss sich in einem Seitenschiff aufhalten. Die Dom-Ministranten sitzen derweil unmittelbar hinter dem großen Baldachinaltar von Bernini.

Der Papst hält die Predigt, alle singen als Antwort das Glaubensbekenntnis. Dann schlägt Maria Habischs große Stunde: Zunächst überrascht von der Anfrage, sei sie schließlich „Feuer und Flamme“ gewesen, „in dieser Kirche die Fürbitte sprechen zu dürfen“, sagt sie, kurz nachdem sie das Lesepult wieder verlassen hat. Sie betet für den Frieden: „Der Fürst des Friedens hemme das Kriegstreiben und zerbreche die Fesseln des Hasses.“ Als die Texte geschrieben wurden, ahnte wohl niemand, dass die Silvesternacht in Bayern von Terrorangst geprägt sein wird.

Die „Pueri Cantores“ stimmen zur Gabenbereitung „Stille Nacht“ an. Charlotte, Stefan und Ulrich machen sich auf den Weg. Der zehnjährige Stefan trägt eine kleine Sammelbüchse die Stufen zum Papst hinauf. „Die wäre mir beinahe runtergefallen vor lauter Aufregung“, verrät er nachher. Aber nur beinah. In die kleine Schatztruhe haben die Ministranten am Silvestertag neben einem Fläschchen Walburgisöl Wünsche an den Papst gepackt. Persönliche Anliegen, die sie nicht in der Öffentlichkeit breittreten wollen.

Franziskus streichelt Stefans Wange und nennt ihn wie auch die anderen beiden beim Vornamen. „Ich segne dich, Ulrich“, sagt der Pontifex zu dem Zwölfjährigen und nimmt seine gefalteten Hände in seine. Ulrichs Stimme zittert, als er von dieser Begegnung erzählt. Charlotte kann sich gar nicht mehr beruhigen. „Das war cool, so schön, so schön.“ Lampenfieber habe sie gehabt: „Als wir da zu dritt im Mittelgang standen, hat mein Herz voll geklopft. Der Heilige Vater streichelt ihr die Wange, lächelt sie an und sagt auf Deutsch genau das, was Charlotte auf ihren Zettel – etwas sehr persönliches – geschrieben hat. „Das war schon fast unheimlich“, meint sie. Denn Franziskus hat die Kiste gar nicht aufgemacht.

Am Ende des langen Gottesdienstes geht Franziskus an den anderen zwölf Sternsingern aus der Dompfarrei vorbei, die sich in voller Montur samt ihren Sternen bemerkbar machen. Der 79-Jährige beginnt zu lächeln. Er winkt den Buben und Mädchen zu. Leni Schädeli ist ganz aus dem Häuschen: „Der Papst hat uns gewunken, er hat mich angeschaut.“

Wenige Minuten später ziehen die Sternsinger im Mittelgang aus dem Petersdom aus. So ganz glauben können die meisten der Kinder nicht, was ihnen hier gerade geschieht: Fotoapparate klicken, ein Fernsehteam des Bayerischen Rundfunks beobachtet sie, die Menschen klatschen. Sie sind hier eben jene VIPs, als die sie Leni Schädeli gewähnt hat: Den Brauch des Sternsingens, Geld für Kinder in armen Ländern zu sammeln und den Neujahrssegen zu bringen, kennen die Italiener nicht. Seit Dezember ist das Sternsingen als „immaterielles Kulturerbe“ von der Unesco anerkannt, seit zwölf Jahren kommen deutsche und österreichische Sternsinger an Neujahr nach Rom.

Beim Angelusgebet auf dem Petersplatz dankt Papst Franziskus noch einmal ausdrücklich den Eichstätter Sternsingern, die ihm lautstark zujubeln. Charlotte Schön nimmt das im Herzen mit nach Hause: „Der Segen des Papstes ist eine besondere Stärkung, wenn wir in den nächsten Tagen den Segen in die Häuser bringen.“ Dabei sammelt sie wie die anderen 300 000 Dreikönige in Deutschland. Seit ihrem Start 1959 hat sich die Aktion Dreikönigssingen nach eigenen Angaben zur weltweit größten Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder entwickelt. Mehr als 948 Millionen Euro wurden seither gesammelt, rund 68 600 Projekte für Kinder in Schwellen- und Entwicklungsländern unterstützt.