Kreis Eichstätt
Das Unheil gebannt?

Rästelhafte Zeichen im spätmittelalterlichen Taglöhnerhaus von Marienstein

11.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:29 Uhr
Um das Jahr 1600 sind wohl die rätselhaften Zeichen entstanden. Das Taglöhnerhaus wurde 1367 in Marienstein erbaut, 1991 abgetragen und 1992in Bad Windsheim wieder aufgebaut. −Foto: Ettle

Kreis Eichstätt (DK) Im Winter 1367 fällten Holzknechte die Bäume für den Bau des Taglöhnerhauses von Marienstein. Das war in spätmittelalterlicher Zeit, als die Menschen bei einer Sonnenfinsternis einen Mordsschreck bekamen und beim Ruf des Steinkauzes "kuwitt kuwitt" im Herrgottswinkel eine Kerze anzündeten.

Dieser Laut des Nachtvogels wurde nämlich als "komm mit, komm mit" gedeutet und verbreitete die Furcht , dass im Haus jemand sterben müsse. Vor diesem Hintergrund können die geheimnisvollen Zeichen an der Wand in einer Stube des Taglöhnerhauses von Marienstein (Stadt Eichstätt) gesehen werden, mit denen möglicherweise Unheil gebannt werden sollte.

Es handelt sich um das älteste Wohnhaus niedriger Schichten in ganz Deutschland. Das eingeschossige Gebäude, dessen Fachwerke teils mit Lehm ausgefüllt sind, ist mit den für das Altmühltal typischen Juraplatten gedeckt. Das Dach ist flach geneigt. Die Grundfläche des Hauses ist zehn mal zehn Meter. Verbaut sind grob gespaltene Eichen- und Tannenhölzer.

In einem Anbau des Wohnhauses fand einige Zeit eine Kuh Platz. Ein kleiner Keller wurde nachträglich gegraben. Nach längerem Leerstand zeigte das Freilandmuseum Bad Windsheim Interesse an dem mittelalterlichen "Leerhäuslein", zu dem also kein Grund gehörte. Das war die Rettung für das Kleinod. Von November 1991 bis April 1992 wurde der Bau aus dem Eichstätter Ortsteil abgetragen, jedes Detail sorgfältig markiert und nach Bad Windsheim transportiert. Ganze Wände wurden dabei in Bretter gepackt.

Der damalige Leiter des Freilandmuseums, Professor Dr. Konrad Bedal, kam zum Schluss, dass die Bewohner wohl ihren Lebensunterhalt überwiegend in den nahe liegenden Steinbrüchen verdienten; der Ort vor den Mauern der Stadt Eichstätt hieß zu jener Zeit Steingrub. Später fanden die Taglöhner Verdienst bei den Augustinerinnen, die ihr Kloster nur ein paar Meter von dem Häuschen entfernt im Jahr 1460 errichteten, oder sie kamen bei den Augustinerchorherren Rebdorf unter. "Beim Abbau entdeckte man überraschend, dass die Stube in der Bauzeit bunt gestaltet war", so Wissenschaftler Bedal. Der Eindruck müsse fast prächtig gewesen sein, obwohl es sich bei den Bewohnern gewiss nicht um vermögende Leute gehandelt habe. Völlig erstaunt waren die Mitarbeiter des Museums über den Fund von geheimnisvollen Zeichen an einer Mauer. Die grob mit breiten Pinselstrichen rot aufgemalten Symbole kamen nach dem Abtragen von mehreren Schichten zum Vorschein.

Forscher Konrad Bedal sagt: "Diese graffiti-artige Bemalung dürfte aus der Zeit um 1600 stammen." Offenbar handle es sich um einfache, in einen Kreis gesetzte Kreuze und primitive Abbilder von Henkelvasen mit Blumen. Die ganze Art der Darstellung würde eine magische unheilabwehrende Bedeutung nahelegen. Bedal: "Das Marien- steiner Haus stellt im Museum ein Kleinod mittelalterlicher ländlicher Bau- und Wohnweise dar, dem für diese soziale Schicht und diese Zeit bisher nirgends Vergleichbares zur Seite gestellt werden kann."

Josef Ettle


ZUR SERIE
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, entdeckt manchmal rätselhafte Details in den Straßen, an Gebäuden und Plätzen. In einer Serie spüren der DONAUKURIER und seine Heimatzeitungen einigen dieser Geheimnisse nach. Ein Teil der Geschichten findet sich auch in dem Buch "Ingolstädter Geheimnisse", das jetzt vom DK und dem Bast-Verlag herausgegeben wurde.