München
Kritik an Söders Anrede „Eure königliche Hoheit“

24.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:10 Uhr
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, spricht beim Staatsakts "100 Jahre Freistaat Bayern". −Foto: Sven Hoppe/Archiv

Der Bund für Geistesfreiheit wirft Ministerpräsident Söder vor, den Chef des Hauses Wittelsbach als „königliche Hoheit“ anzusprechen. Das sei vordemokratisch. Und die Kritiker können sich sogar auf Ratschläge aus Berlin berufen. Gehen Bayerns Uhren mal wieder anders?

Der Bund für Geistesfreiheit (bfg) in München nimmt Anstoß an den protokollarischen Gepflogenheiten der bayerischen Staatsregierung. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schreibt der Bund: „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir hoffen sehr, dass es Ihnen nicht entgangen ist, dass Bayern seit dem 8. November 1918 keine Monarchie mehr und das „Haus Wittelsbach“ seither abgesetzt ist und nicht mehr regiert.“ Es sei deshalb „sehr verwunderlich“, dass Söder beim Festakt 100 Jahre Freistaat Bayern „den Familienältesten des abgesetzten und abgedankten Wittelsbach-Clans“ als „Eure königliche Hoheit“ begrüßt habe.

„Dies widerspricht sowohl der Ihnen sicher bekannten Verfassung des Freistaats Bayern als auch dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, denen zufolge der einzige Souverän das Volk im staatsrechtlichen Sinne ist“, heißt es weiter in dem offenen Brief. „Es wäre schön, wenn Sie es über sich brächten, diese zu respektieren und nicht mehr Hoheiten benennen, für die es keine Rechtsgrundlage gibt und die einer vordemokratischen Vergangenheit zugehören.“ Unterzeichnet ist das Schreiben unter anderem von dem Münchner bfg-Vorsitzenden Michael Wladarsch und dem bekannten Aktionskünstler Wolfram Kastner.

Chef des Hauses Wittelsbach ist der 85 Jahre alte Franz Herzog von Bayern. Der einstige Titel Herzog gilt rechtlich nur noch als Bestandteil des Namens.

Als der einstige CSU-Europaparlamentarier Otto von Habsburg (1912-2011) noch lebte, war dieser von Vertretern der bayerischen Staatsregierung sogar als „Eure kaiserliche Hoheit“ angesprochen worden. Otto von Habsburg war der älteste Sohn des letzten Kaisers von Österreich. Nach bfg-Ansicht gehören diese Gepflogenheiten des Protokolls abgeschafft. „Wir wünschen Ihnen und uns umgehenden besten Erfolg dabei“, schrieb der Bund an Söder.

Die Kritiker können sich dabei auch auf den „Ratgeber für Anschriften und Anreden“ berufen, den die Protokollabteilung im Bundesinnenministerium herausgegeben hat. Darin heißt es unter der Überschrift „Familiennamen mit ehemaligen Adelsbezeichnungen“: „Anredeformen wie „Königliche Hoheit“, „Hoheit“, „Durchlaucht“ und dergleichen haben keine rechtliche Grundlage.“ Das Recht auf solche Prädikate sei beispielsweise in Preußen 1920 aufgehoben worden durch das „Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen“.

Der bfg ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und versteht sich als Interessenvertretung für Konfessionslose und Atheisten. Die Vereinigung hatte erst vor kurzem für Aufsehen gesorgt, weil sie Klage gegen den bayerischen Kreuzerlass eingereicht hat. Dieser von Söder initiierte Erlass schreibt vor, dass im Eingangsbereich aller staatlichen Gebäude Bayerns ein Kreuz hängen muss. Die Kläger pochen auf Einhaltung der weltanschaulichen Neutralität des Staates.

Homepage Bund für Geistesfreiheit

Offener Brief an Söder

Protokoll-Ratgeber des Bundesinnenministeriums

dpa