Nürnberg
Soul und Espresso im Pförtnerhäuschen

Neben Drehkreuzen und Schranken hat Christian Keimel auf dem ehemaligen AEG-Firmengelände ein Café eröffnet

15.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:29 Uhr

Bunte Lampen und guter Espresso, das sind die Markenzeichen im Café Pförtnerhäuschen auf AEG. Besitzer Christian Keimel hat sich damit seinen Traum erfüllt. - Foto: Pelke

Nürnberg (npe) Die Schranke wird hier längst nicht mehr bedient. In der "Pforte" auf dem ehemaligen AEG-Gelände in Nürnberg hat sich Christian Keimel mit seinem Café einen Traum erfüllt. Aus den runden Boxen summt Soul-Musik. Das Muster der Tapeten erinnert ebenfalls an Schlaghosen und Miniröcke. Über dem Tresen baumeln kleine Discokugeln. "Ich glaube, ich bin einfach irgendwann beim Soul hängengeblieben", sagt der 52-jährige Betreiber und schmeißt die edle Kaffeemaschine an.

Das Küchentuch baumelt lässig am Hosenbund. Stumm und zuvorkommend wie ein echter Barista vom Stiefel bedient Keimel das kaffeekochende Kunstwerk. "Diese Espresso-Zeremonie hier in der Pforte - die holt mich einfach jeden Tag runter", sagt ein gestresster Dauergast, der wie viele andere auf dem ehemaligen AEG-Gelände in den vergangenen Jahren eine neue Arbeit gefunden hat.

Viele Zufälle haben Christian Keimel zum Chef des Cafés gemacht. "Ich habe früher in einem Fotostudio gearbeitet und Bilder für den Quelle-Katalog gemacht", erzählt Keimel. Nach der Pleite des Versandhauses musste sich Keimel einen neuen Job suchen. Zunächst hat er es bei der ehemaligen Konkurrenz in Burgkunstadt beim Baur Versand versucht. "Das ewige Pendeln ist mir mit der Zeit auf die Nerven gegangen", erinnert sich Keimel, während es sich immer mehr Gäste in der "Pforte" gemütlich machen. "Vor acht Jahren habe ich dann hier die Pforte aufgemacht", sagt Keimel und schaut sich in dem bunten Laden um. Mit viel Geschmack und etwas Eigensinn hat er aus dem verwaisten Pförtnerhäuschen eine gemütliche Soul-Kitchen gezaubert.

Unzählige Glühbirnchen baumeln über dem Tresen von der Decke. In der Ecke brummt ein kleiner Kühlschrank mit Säften aus Italien. Aus dem Nebenraum hat er ein formidables Speisezimmer gezimmert. In einer Glasvitrine sind skurrile Kunstwerke aus Besteck wie in einem biologischen Schaukasten ausgestellt. An einem verblühten Blumengesteck baumeln Schlüsselbunde, die offensichtlich von verträumten Gästen irgendwann in der "Pforte" vergessen wurden. Neben den alten Drehkreuzen und Stechuhren für die Arbeiter hat Keimel ein schöne Tulpenstühle aufgestellt. Unter einem Bäumchen laden Bierbänke aus verwittertem Holz zum Sitzen unter freiem Himmel ein.

Neben der geöffneten Schranke stecken ein paar Kollegen an diesem Septembermittag die Köpfe zusammen. Manche tragen Anzug und hauen nach einem schnellen Espresso wieder ab. Andere haben herausgefunden, dass es neben gutem Kaffee auch leckere Weine in der "Pforte" zu haben gibt. Wieder andere scheint der Hunger in das ehemalige Schrankenwärterhäuschen in der Muggenhofener Straße zu treiben. "Ich habe schon immer gerne gekocht", sagt Christian, und platziert noch drei Salbeiblätter auf dem Porzellanteller. Derweil geht der Café-Alltag weiter seinen Gang. Leute kommen gestresst und gehen freundlich. Nur die Musik scheint immer gleich zu bleiben. Neumodische Beats, da ist Keimel stur, kommen in der "Pforte" nicht auf den Plattenteller. Der groovige Sound steht dem einzigartigen Laden neben der offene Schranke einfach besser.