Nürnberg
Berührend, großartig, ergreifend

Kris Kristofferson - ein musikalisches Vermächtnis der besonderen Art im Serenadenhof

25.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:33 Uhr
Matthias Hertlein
Ohne Zweifel eine lebende Legende: Kris Kristofferson. −Foto: Foto: Hertlein

Nürnberg (HK) Musikgeschichte fast zum Anfassen, zum Einatmen. Schauspieler Kris Kristofferson beehrt zum zweiten Mal in seiner Karriere nach 2010 den Serenadenhof am Dutzendteich. Der Trucker-Filmheld ("Convoy"), Hubschrauberpilot, einstige Hausmeister eines Tonstudios in Nashville/Tennessee, Songwriter und Countrystar zelebriert ein musikalisches Vermächtnis der besonderen Art.

Eine Geburtstagsparty war es im ausverkauften Serenadenhof im Übrigen nicht, denn seinen 82. Geburtstag feierte Kristofferson am Freitag in London im Kennwood House in der Hampstead Lane. Im Vorprogramm der kanadisch-amerikanische Songwriter Rufus Wainwright. Ein wundervolles Geburtagspaket.

Aber auch das Gastspiel im Serenadenhof hat etwas Spezielles, etwas Berührendes, etwas Großartiges, etwas Ergreifendes - eine Werkschau seines Schaffens in 95 Minuten, ohne Zugabe und große Reden. Kristofferson ist an diesem Abend, wie bereits vorher bei seinen anderen beiden Deutschlandgastspielen in Essen und München kein Geschichtenerzähler, es gibt keine (politischen) Statements zum heutigen Amerika mit Präsident Donald Trump etwa.

Kraftvoll an diesem Abend sind seine kleinen Dankeschön-Botschaften an die rund 900 Besucher, wechselweise nicken sich Kristofferson und sein vorzüglicher Gesangspartner und Violinist Scott Joss zu und demonstrieren mehrfach ihre gegenseitige Wertschätzung mit Daumen hoch. Scotts Geigenspiel schmiegt sich wunderbar an die tiefe, sehr tiefe Stimme von Kris, die einem Gänsehaut einjagt und gleichermaßen Wehmut und Traurigkeit hervorruft.

Fragt jemand, ob Bob Dylan mit 77 Jahren brillant singt? Also muss man das auch bei Kristofferson mit seinen 82 nicht tun. Durch seine Kehle sind sicherlich in all den Jahren reichlich Whiskey und andere Alkoholika geflossen, das Alter macht vor der Stimme nicht Halt - leise und brüchig bisweilen, aber irgendwie passt das auch an diesem Abend.

Aus seinen Händen an der Gitarre kommen Folk und Country und Perlen, die Kristofferson schon zu Lebzeiten unsterblich machen. Es wandern Klassiker durch den Serenadenhof. Die Fans sind absolut dankbar, bejubeln natürlich, schon als viertes Stück am Abend, "Me And Bobby Mc Ghee", das einst Janis Jooplin zu Weltruf performte. Oder Johnny Cashs mit "Sunday Mornin' Comin' Down", geschrieben nach einem durchzechten Nacht, eine Art Katerfrühstücks-Lied. Oder "Help Me Make It Through The Night". Neben Cash haben dieses Kris-Meisterwerk auch einst Elvis Presley oder Willi Nelson zu Weltruf veredelt. "Es ist traurig, allein zu sein, Herr, ich brauche einen Freund. . . " heißt es da unter anderem. Knapp 30 Stücke präsentiert der Meister.

Freunde fand Kristofferson einst in Cash, in Nelson und in Waylon Jennings - in der Superband The Highwaymen. Outlaw-Country-Musik hat man es genannt, ihr Engagement gegen die Unterdrückten entspechend gewürdigt. Im vergangen Jahr beim Auftritt in Glastonbury-Festival stieg Schauspieler-Ikone Johnny Depp mit auf die Bühne, (dieser ist gerade mit Alice Cooper auf Deutschland-Tour). In Nürnberg wird Kristofferson von Merle Haggards Band The Strangers unterstützt, die sich, bis auf den Fiddler Joss, sehr bescheiden zurückhält. Was zählt, das ist die Aura, die Kris umgarnt, und wie beeindrucktend schlicht er seine Lebensweisheiten serviert. Gepaarte Altersweisheit und Rastlosigkeit. Und irgendwie auch mit Stolz.

Keine Zugaben am Schluss, dafür Standing Ovations - Konzertveranstalter Peter Harasim beschenkt Kristofferson mit einer Lebkuchendose sowie einem Lebkuchenherz samt Aufschrift "Kristofferson Sold Out". Kleine Geschenke erhalten die Freunschaft. Vor acht Jahren wollte Kristofferson nicht in Nürnberg auftreten, so inmitten der Nazi-Gebäude. Ein persönlicher Brief des fränkischen Promoters überzeugte und überredete den Texaner aus Brownsville. Der Lohn der Anstrengungen: bei der Auswahl der Spielorte der Tour 2018 entscheidet sich Kristofferson eigens für den Serenadenhof. Besondere Wertschätzung eines Kultmusikers für Franken, für den Serenadenhof, auch für den Veranstalter.

Ein Abend zum intensvien Zuhören, der leider im einen oder anderen Fall von der Handyplage diverser Besucher oder auch durch laut geführte Privatgespräche gestört wird. Das ist nervig - und eine durch und durch schlechte Marotte.
 

Matthias Hertlein