München
Viel zusätzliche Arbeit für die Jobcenter

Flüchtlingszahlen sprengen Etat – Extra-Milliarden aus Berlin sind zu niedrig kalkuliert

30.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:37 Uhr

München (DK) Die 408 kommunalen Jobcenter in Deutschland sollen nach dem Willen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im nächsten Jahr zirka 3,3 Milliarden Euro extra erhalten, um die mit dem Flüchtlingsansturm verbundenen zusätzlichen Aufgaben bewältigen zu können. Doch bei Nachfrage in mehreren bayerischen Arbeitsvermittlern wird klar, dass diese Summe wohl viel zu niedrig kalkuliert sein dürfte.

Das liegt unter anderem daran, dass die Ministerin bei ihrer Berechnung von den im Sommer für 2015 insgesamt erwarteten 800 000 Flüchtlingen ausgeht. Tatsächlich werden es wohl heuer 1,5 Millionen Menschen werden.

Ein Drittel der Summe wird bereits für die zusätzlichen Verwaltungskosten draufgehen, schließlich müssen die Jobcenter zusätzliches Personal einstellen. Da kann Nahles auch nicht mehr zurück: Auf Initiative der bayerischen Ressortchefin Emilia Müller (CSU) hat das die Sozialministerkonferenz von Bund und Ländern einstimmig so beschlossen.

Auf Verwaltungskosten im Etat eines Jobcenters dürfen maximal zehn Prozent entfallen, von den 3,3 Extra-Milliarden also nur zirka 300 Millionen Euro dafür abgezweigt werden. Es wird aber zwangsläufig mehr werden, denn im Verwaltungsetat sind die Jobcenter kostentechnisch schon seit Jahren auf Kante genäht.

„Wir buchen seit Jahren Geld aus dem Säckel für Eingliederungs- und Fördermaßnahmen für die Arbeitslosen um, damit wir technische Ausgaben, Personalkosten, Strom und Gas bezahlen können“, schimpft der Chef des Jobcenters in einer mittelgroßen Stadt in Bayern. „Das wissen auch die Experten im Bundesarbeitsministerium, die haben es aber stillschweigend hingenommen, weil ja die Arbeitslosenzahlen in den vergangenen Jahren gesunken sind und insgesamt keine roten Zahlen entstanden.“

Doch damit dürfte jetzt erst mal Schluss sein, selbst wenn nur die Hälfte der Asylbewerber dauerhaft bleibt. Denn bei den inzwischen längst überholten 800 000 Flüchtlingen wären das immerhin noch 400 000 Personen. Doch handelt es sich bei ihnen mitnichten nur um die dringend benötigten Fachkräfte, diese machen sogar nur einen winzigen Anteil aus. Nach Angaben von Nahles verfügen 90 Prozent der Flüchtlinge über keine für den deutschen Arbeitsmarkt adäquate Ausbildung, viele besitzen nicht mal einen regulären Schulabschluss, sogar etwa 15 Prozent Analphabeten sind darunter. Diese Menschen werden also für längere Zeit in die Kategorie „schwer vermittelbar“ rutschen. Das von der Bundesarbeitsministerin versprochene zusätzliche Geld wird also schon jetzt vorn und hinten nicht reichen.

Noch nicht berücksichtigt ist, dass die Bundesregierung bereits jetzt großzügig jedem anerkannten Flüchtling den Familiennachzug versprochen hat. Da es sich bei den Flüchtlingen nach Angaben des Bundesinnenministeriums zu etwa 70 Prozent um junge Männer handelt, werden also bald sehr viele Frauen und Kinder die Reise nach Deutschland antreten und ebenfalls Ansprüche auf Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch II anmelden.