München
Niedrigere Standards durch die Hintertür

Im "Abschiebezentrum" Oberstimm leben viele Ukrainer entgegen dem ursprünglichen Konzept

22.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:55 Uhr

Rund 1000 Menschen wohnen momentan im Balkanzentrum in der Max-Immelmann-Kaserne, darunter rund 350 Ukrainer. - Foto: Eberl

München (DK) Heimlich, still und leise hat die Staatsregierung das Konzept des Flüchtlingszentrums in Oberstimm bei Manching verändert. Die Grünen fürchten eine Aushöhlung der Unterbringungsstandards.

Mehr als ein Drittel sind es inzwischen: 350 Menschen aus der Ukraine sind nach Angaben der Regierung von Oberbayern in der "Aufnahme- und Rückführungseinrichtung" - wie es im Beamtendeutsch heißt - in Oberstimm (Kreis Pfaffenhofen) inzwischen untergebracht. Insgesamt hat das Zentrum derzeit rund 1000 Bewohner.

Dabei war die als "Abschiebelager" kritisierte Einrichtung von der Staatsregierung einst als Balkanzentrum angekündigt worden. Und auf eine Anfrage der Grünen, die unserer Zeitung vorliegt, antwortete das Sozialministerium auf die Frage, anhand welcher Merkmale die Bewohner ausgewählt werden: "Kriterium für die Verlegung in die Aufnahme- und Rückführungseinrichtungen ist eine weitestgehend gesicherte Rückführbarkeit von Asylbewerbern mit geringer bzw. keiner Bleibeperspektive, die aus sicheren Herkunftsländern stammen."

Sichere Herkunftsländer also. Nur: In diese Kategorie gehört die Ukraine nicht. Alle EU-Staaten und dazu die Balkanländer Albanien, Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien sowie Ghana und der Senegal stehen auf der Liste der sicheren Länder. Nicht aber die Ukraine, wo im Osten nach wie vor Kriegszustände herrschen.

Die Grünen befürchten aufgrund der Einquartierung der urkrainischen Flüchtlinge daher eine schleichende Ausweitung des Lagers und die Zusammenführung weiterer Nationalitäten in dem Zentrum. "Sämtliche nordafrikanischen Staaten könnten die Nächsten sein", kritisierte die asylpolitische Sprecherin der Grünen, Christine Kamm. Es könne nicht angehen, dass Sozialministerin Emilia Müller (CSU) die Konzeption der Zentren ändere, ohne den Landtag darüber zu informieren. Bisher habe es immer geheißen, dass nur Menschen aus sicheren Herkunftsländern nach Oberstimm und in die Dependancen in Ingolstadt sowie in das zweite Rückführungszentrum in Bamberg kämen.

Schon die zwei Monate, die Menschen aus Balkanländern im Schnitt in den Einrichtungen verbrächten, seien viel zu lange. "Bei Menschen, die nicht aus sicheren Herkunftsländern kommen, dauert das Verfahren ja noch viel länger", sagte Kamm unserer Zeitung. Gerade in den Rückführungszentren, wo Ehrenamtliche nur beschränkt Zugang hätten und die Beschulung für die Kinder mangelhaft sei, sei das problematisch, betonte die Asylpolitikerin. Sie befürchte, dass die CSU die Standards in den Flüchtlingseinrichtungen so durch die Hintertür absenken wolle und die Lager als Abschreckungsinstrument dienten.

Von der Staatsregierung fühlen sich die Grünen zudem wegen der Antwort auf ihre Anfrage hinters Licht geführt. Denn in dem Schreiben vom 5. April ist von ukrainischen Bewohnern keine Rede. Nur zwei Tage später zogen die ersten Ukrainer aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf in den Landkreis Pfaffenhofen.

Derzeit ist das 1750 Menschen fassende Zentrum in Oberstimm bei Weitem nicht vollständig belegt. Dennoch hält das Sozialministerium am geplanten Ausbau auf 2900 Betten unbeirrt fest, wie ein Sprecher bestätigte. Da der Zustrom vom Balkan in den vergangenen Monaten extrem nachgelassen hat, dürfte eine Ausweitung auf andere Nationalitäten daher sehr wahrscheinlich sein. "Hierzu wird das Sozialministerium nun Gespräche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führen", heißt es dazu aus dem Ministerium.

Die Kritik an der Unterbringung der Ukrainer kann man dort nicht nachvollziehen. Die Anerkennungsquoten für Asylbewerber aus der Ukraine seien vergleichbar niedrig wie bei den Westbalkanstaaten, und auch die Rückführungsmöglichkeiten seien ähnlich, sagte der Sprecher. Daher sei es konsequent, beide Personengruppen in die Zentren aufzunehmen.