München
Münchner Leerstandsmelder

Lisa Rüffer und Maximilian Heisler betreiben eine Internetseite, mit der sich unbewohnte Wohnungen finden lassen

18.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:47 Uhr

Vor dem sogenannten Döner-Haus im Münchner Bezirk Schwanthalerhöhe stehen Lisa Rüffer und Maximilian Heisler. Es steht seit Jahren leer – so wie geschätzte 17 000 Wohnungen im Stadtgebiet. Um gegen diesen Missstand vorzugehen, haben die beiden Aktivisten einen Leerstandsmelder ins Leben gerufen. - Foto: Stäbler

München (DK) Die Mieten in München sind legendär – und dennoch stehen in der Stadt geschätzte 17 000 Wohnungen leer. Eine neue Initiative ruft Bürger dazu auf, Leerstände im Internet zu melden. Doch die Rechtslage ist heikel.

Das Schild hängt immer noch. „Döner macht schöner!“, steht darauf in fetten Lettern, weiß auf rot – doch schon der erste Blick verrät, dass sich hier seit einiger Zeit kein Fleischspieß mehr gedreht hat. Der Putz bröckelt von der Fassade, die Fenster sind verdreckt oder eingeschlagen, die Wände mit Graffiti verunstaltet. Keine Frage: Dieses Haus steht leer – nicht nur der ehemalige Dönerladen im Erdgeschoss, sondern auch die Wohnungen in den oberen Stockwerken.

Dabei befinden wir uns hier im Herzen von München, nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, im Bezirk Schwanthalerhöhe, wo Alteingesessene über Gentrifizierung klagen und die Quadratmetermiete bei 17 Euro liegt. Mindestens. Dennoch steht das Döner-Haus, wie die Nachbarn es nennen, seit Jahren leer – von den Tauben mal abgesehen. Und das ist kein Einzelfall in München. Auf 17 000 Wohnungen schätzt der örtliche Mieterverein die Zahl der Leerstände – und das in jener Stadt, die mit einer Durchschnittsmiete von 15,24 Euro pro Quadratmeter deutschlandweit einsame Spitze ist.

Gegen diesen Missstand hat die Münchner Aktivistengruppe Goldgrund Ende 2013 mit einer spektakulären Aktion protestiert: Sie besetzte ein leer stehendes Haus in der Pilotystraße und fachte damit die Leerstandsdebatte neu an. Als Helferin mit dabei war damals Lisa Rüffer. „Dort hat mich eine Frau gefragt, ob es eine Internetseite mit leer stehenden Wohnungen gibt“, erzählt die 34-jährige Journalistin. Zu Hause am Rechner blieb ihre Suche ergebnislos. Also stellte Lisa Rüffer kurzerhand eine Facebook-Seite ins Netz, um Leerstände zu sammeln – und die Resonanz war enorm. Keine 48 Stunden später hatte die Seite bereits tausend Anhänger. „Also stand ich vor der Wahl“, erzählt Lisa Rüffer: „Entweder du hörst sofort auf – oder du machst es richtig.“ Sie entschied sich für Letzteres, holte Maximilian Heisler vom „Bündnis Bezahlbares Wohnen“ ins Boot, und gemeinsam bastelten sie an einem Leerstandsmelder für München. Seit einigen Wochen steht die Webseite www.leerstand089.de im Netz. Auf ihr können Bürger mittels einer München-Karte Leerstände melden. Ein Team von rund einem Dutzend ehrenamtlicher Helfer prüft dann, ob die Wohnungen und Häuser tatsächlich ungenutzt sind. Außerdem versuchen sie, die Gründe herauszufinden, indem sie bei Behörden und Lokalpolitikern anfragen, aber auch den Eigentümer kontaktieren. „Wir wehren uns gegen das Schwarz-Weiß-Denken nach dem Motto: Der böse Eigentümer ist immer schuld“, sagt Lisa Rüffer. Sie sieht beim Thema Leerstand eher ein politisches Problem: „Die Behörden arbeiten zu langsam. Da gäbe es viel zu optimieren.“

Dass sie mit ihrem Leerstandsmelder einen heiklen Weg beschreiten, ist den Machern bewusst. „Wir haben zwar ein Rechtsgutachten eingeholt“, sagt Maximilian Heisler. „Aber im Grunde betreten wir rechtliches Neuland. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass jemand Klage einreicht – und dann müssten die Gerichte entscheiden.“ Schließlich sind vor allem die Eigentümer der Immobilien skeptisch gegenüber der Webseite, die sie als eine Art Pranger empfinden. Dennoch erhält das Projekt viel Unterstützung – auch von der Münchner Stadtverwaltung. „Grundsätzlich begrüßen wir diese Initiative“, teilt ein Sprecher des Sozialreferats mit. Nun soll in einer Testphase sogar die Möglichkeit einer Zusammenarbeit geprüft werden.

Für Lisa Rüffer geht es auch darum, die Hintergründe der Leerstände aufzuzeigen. Manchmal sei zwar tatsächlich der Besitzer verantwortlich, der angesichts steigender Mieten auf höhere Renditen spekuliere. In anderen Fällen gebe es jedoch Probleme mit dem Bauantrag, Erbstreitigkeiten oder schlicht einen überforderten Besitzer. „Die Vorstellung vom Eigentümer, der im Geld schwimmt, trifft keineswegs immer zu“, betont Maximilian Heisler.

Mehr als 200 Hinweise sind seit dem Start der Webseite vor gut zwei Monaten eingegangen; sie werden nun nach und nach überprüft. Zum Döner-Haus im Bezirk Schwanthalerhöhe hat das Rechercheteam bereits Informationen eingeholt. Demnach will der Besitzer die Immobilie in ein Hotel umwandeln. Sein Bauantrag wurde nach einigem Hin und Her vor zwei Jahren bewilligt – seitdem ist jedoch nichts passiert. Und weil die Genehmigung noch bis Oktober 2017 gültig ist, sind der Stadt die Hände gebunden.