München
Hoch auf dem blauen Wagen

Peter Schröfl sammelt Kutschen – auch ein Exemplar aus dem Fuhrpark von Ludwig II. gehört ihm

15.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:08 Uhr

 

München (DK) Die einen sammeln Briefmarken, die anderen Münzen. Das Hobby von Peter Schröfl braucht etwas mehr Platz: Der 51-Jährige sammelt Kutschen. Über 30 Stück besitzt er inzwischen. Auch die Theaterkutsche von König Ludwig II. steht auf seinem Hof in einem Münchner Vorort.

Reiten? Ja, sicher könne er reiten. „Aber schön schaut das nicht aus“, sagt Peter Schröfl und lacht. Seine Leidenschaft ist das Fahren. Und zwar mit Kutschen. Der 51-jährige Schlossermeister ist sogar Fahrlehrer. Er bringt Neulingen bei, wie man so ein Gefährt sicher lenkt. Rösser seien eben keine Maschinen, sagt Schröfl. „Wenn die Pferde durchgehen, kann ich nicht auf den Not-Aus-Knopf drücken.“ Offiziell braucht man den Führerschein, den man bei ihm machen kann, zwar nicht. Doch wenn es zu einem Unfall kommt, weigern sich die Versicherungen oft zu zahlen, wenn man keinen Sachkundenachweis erbringen kann.

Die Begeisterung für sein Hobby entflammte im Jahr 1994 – damals erstand er seine erste Kutsche. Der Grund war eigentlich seine Frau, die ebenfalls pferdebegeistert ist. Weil aber Schröfl nun alles andere als ein leidenschaftlicher Reiter ist, entschieden sich die beiden für das Kutschenfahren – denn so konnten sie Zeit gemeinsam verbringen und gleichzeitig den Tieren nahe sein.

Aus der einen Kutsche sind inzwischen über 30 geworden – viele davon historische Raritäten. Und weil diese natürlich mehr Platz brauchen als eine normale Garage bieten kann, musste sich Schröfl nach entsprechenden Räumlichkeiten umsehen. 2001 kaufte er Gut Wandelheim – ein Anwesen mit mehreren Gebäuden und drei Hektar Land. Es liegt zwischen den Münchner Vororten Germering und Gilching. Dort betreibt der Sammler nicht nur seine Schlosserei, sondern hat auch ein eigenes Gebäude, in dem die historischen Kutschen lagern. Und zwar im ersten Stock. Die bis zu einer Tonne schweren Gefährte hievt er dort mit dem Gabelstapler hinauf.

Wenn Schröfl Besucher durch seine Sammlung führt, dann zeigt er sein Glanzstück meist zuletzt – als Höhepunkt sozusagen. Und das ist die Theaterkutsche von König Ludwig II. Mit ihr sei der Kini immer von Schloss Nymphenburg zur Oper gefahren, erzählt der 51-Jährige. Das Besondere: Das Gefährt hat keine Bremsen. Brauchte es auch nicht. „Wenn der König kam, dann sind sowieso alle auf die Seite“, erklärt Schröfl. War Ludwig II. an Bord, erkannte das Volk dies an den Lampen. Denn bevor der König die Kutsche bestieg, tauschten die Bediensteten die einfachen Lampendeckel-Blenden gegen aufwendig gestaltete Kronen aus.

Mit großem Aufwand hat der Schlossermeister die Geschichte des Gefährts rekonstruiert. Über das Archiv des Deutschen Museums kam er sogar an ein historisches Bild, das die Kutsche zeigt. Denn die Firma Mayr aus München machte von jedem ihrer Meisterwerke vor der Auslieferung ein Foto.

2011 erwarb Schröfl die Kini-Kutsche von einem Restaurator, der sie wieder hergerichtet hatte. Letzterer wiederum war auf abenteuerlichen Wegen zu der Kutsche gekommen, die vermutlich viele Jahrzehnte in einem Heustadel verstaubte. Was Schröfl für das Prachtstück gezahlt hat, verrät er nicht. Es gebe keinen festen Euro-Wert für so etwas, den Preis bestimme der Liebhaber, sagt er.

Wenn der Schlossermeister seine Kutschen präsentiert, gerät er ins Schwärmen. Er kennt jedes Detail und viele Hintergrundgeschichten. Zum Beispiel zeigt er bei einer der Kutschen auf ein kleines Loch in der Kabine für die Fahrgäste. „Da lief eine Schnur durch, die an der Schulter des Kutschers befestigt war“, weiß der 51-Jährige. Wollten nun die Gäste beispielsweise nach links oder rechts, zogen sie in der zuvor vereinbarten Abfolge an der Schnur und der Fahrer auf dem Bock wusste, was zu tun war. „Daher kommt der Ausdruck: ,Es klappt wie am Schnürchen’.“

Die meisten seiner Schätze sind Originale, manche aber so selten, dass diese unerschwinglich wären. Seine Postkutsche aus England etwa ist ein Nachbau. „Ein Original würde bis zu 100 000 Euro kosten“, sagt Schröfl.

Das außergewöhnlichste Stück ist wohl das „Hansom Cab“ – eine Art Taxi, das um das Jahr 1860 in London und Paris eingesetzt wurde. Aus heutiger Sicht skurril: Der Kutscher saß nicht vorne auf dem Bock, sondern in einer erhöhten Position hinter der Gästekabine. „Von dort oben konnte er sich mit Peitschenhieben besser gegen Überfälle wehren“, sagt Schröfl. Außerdem konnte nur der Kutscher über einen Hebel-Mechanismus die Türen öffnen – dadurch sollte vermieden werden, dass die Gäste ohne zu zahlen einfach abspringen, wie es damals häufig passierte.

Ähnlich eng wie im „Hanson Cab“ geht es auch langsam in Schröfls Sammel-Raum zu. Viel hat nicht mehr Platz.