München (DK
Zweifel an Seehofer

Offiziell gibt es in der CSU keine Personaldebatte, doch an der Basis gärt es

26.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Keine einfache Situation: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer gestern beim ersten Treffen der Unionsfraktion nach der Bundestagswahl in Berlin. - Foto: Loos/AFP

München (DK/AFP) "In der CSU gibt es keine Personaldebatte", hat Andreas Scheuer gestern in eine Fernsehkamera gesagt. Als CSU-Generalsekretär spielt er tapfer seine Rolle. Persönlich weiß er es besser: Am Vorabend konnte er sich zu Hause in Passau anhören, was die CSU-Parteibasis, sozusagen am Stammtisch, tatsächlich denkt.

Einen regelrechten "Sturm" habe es gegeben, sagt einer, "brutal eindeutig". Das katastrophale Wahlergebnis hat Parteichef Horst Seehofer angreifbar gemacht.

Erst Kanzlerin Angela Merkel auf der CSU-Parteitagsbühne abkanzeln, dann mit ihr als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf ziehen, sie erst runterzumachen und dann hochzujubeln, diese Strategie haben viele damals schon nicht verstanden. Aber ihr Unverständnis wurde weggebügelt. Sie haben Seehofer und seinen Fähigkeiten, nah an den Menschen zu denken, vertraut. Jetzt ist das Vertrauen weg.

Scheuer hat am Stammtisch Seehofer eifrig verteidigt. Aber an der Basis gärt es. Nicht nur in Passau. "Ich weiß nicht, was man dem Wähler noch alles zumuten kann", redet sich Roland Gaßner, stellvertretender CSU-Kreischef im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, den Frust von der Seele. "Angesichts der unverständlichen Wendung unseres Vorsitzenden in Bezug auf das Verhältnis zu Frau Merkel ist es für mich erstaunlich, dass wir als CSU noch so viel Zuspruch bekommen haben."

Aus dem ganzen Freistaat hagelt es Basis-Kritik an Seehofer - auch, weil man den Eindruck habe, die Parteioberen wollten im Grunde doch nichts anderes machen als weitermachen wie bisher. Die Forderung lautet, dass sich etwas ändern müsse. Und zwar nicht nur an der CSU-Politik. Sondern auch personell.

Warum Seehofer so viel Kraft verwendet, um Markus Söder zu verhindern - das versteht die Basis nicht. Und dass der CSU-Chef zwar die Verantwortung für die vergeigte Bundestagswahl übernimmt, das aber folgenlos bleibt, dass er nachgerade von einem Wählerauftrag spricht, verstehen viele an der Basis nicht mehr. "Er hat uns mit seiner Taktiererei, mit diesem Hüh und Hott, erst in dieses Dilemma geführt", sagt einer. Derweil glühen im Vorfeld der heutigen Sitzung der CSU-Landtagsfraktion die Drähte. In der Whats-App-Gruppe der CSU-Abgeordneten gehe es noch vergleichsweise gesittet zu, heißt es. Aber längst hätten die Abgeordneten ein Stimmungsbild aus ihrer Heimat eingeholt, viele würden sich untereinander absprechen.

€ƒAlexander König, Landtagsabgeordneter aus Hof (Oberfranken), ist einer der wenigen, die sich trauen, offen Front gegen Seehofer zu machen: "Wir brauchen einen anderen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl", sagt er - und Söder sei der "geeignete Kandidat". König ist kein beißwütiger Jungpolitiker mit Aufstiegslust, sondern ein Mann mit 19-jähriger Landtagserfahrung. Er hatte Seehofer schon am Wahlabend den Rücktritt nahegelegt. Ihm gehe es "darum, wer ist der bestmögliche Kandidat für die schwierige Landtagswahl und die fünf Jahre danach".

Andere CSU-Landtagsabgeordnete wollen anonym bleiben - noch. "Da kommt gerade eine Lawine ins Rollen", analysiert einer, "ob die irgendwo ausläuft oder jemanden unter sich begräbt, ist im Moment noch nicht klar. Aber wer jetzt sagt, es gäbe keine Personaldebatte, der leidet unter Realitätsverlust." Ein anderer befindet: "Kein lebender CSU-Politiker hat je ein schlechteres Ergebnis eingefahren als Seehofer." In der Fraktion ist angesichts dessen und der Tatsache, dass in einem Jahr Landtagswahlen anstehen, die Nervosität enorm - "für viele geht es um ihre politische Existenz. Kann man mit Seehofer noch gewinnen oder nicht"

Ob sich freilich heute in der Aussprache eine Eigendynamik der Abrechnung breitmacht, gar wie 2007 in der Klausurtagung der CSU-Fraktion in Kreuth, wagte gestern noch keiner zu sagen. Auffällig ist aber, dass vor allem einer sich derzeit öffentlich extrem zurückhält: Markus Söder. Ein klein wenig zündelt er herum, ansonsten hält er still und wartet ab. Seehofers Aufforderung, es offen zu sagen, wenn ihn jemand beerben wolle, kommt er jedenfalls bisher nicht nach. "Markus geht lieber den sichereren Weg", befindet ein Kabinettskollege.

Seehofer selbst spielt nun auf Zeit und will die Debatte um seine Person bis zum Parteitag im November verschieben. Die kommenden Tage dürften zeigen, ob die CSU die nötige Geduld aufbringt.