München/Berlin
Schmidt: Seehofer mitschuldig an Tod von Flüchtlingen

11.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:06 Uhr
Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD). −Foto: Arne Dedert/Archiv

Die frühere Bundesministerin Renate Schmidt (SPD) wirft CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer eine direkte Mitverantwortung am Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer vor.

„Menschen wissentlich ertrinken zu lassen wird von Ihnen als Teil der Lösung des Flüchtlingsproblems gesehen. Ab sofort sind die bisher 1400 Toten im Mittelmeer auch Ihre Toten“, schreibt die frühere Bundesfamilienministerin und Vizepräsidentin des Bundestages in einem am Mittwoch abgeschickten Brief an Seehofer.

„Sowohl dieses Ertrinken lassen als auch das Verfrachten von Menschen in libysche Lager, in denen sie ausgebeutet, vergewaltigt und sogar getötet werden, ist ein Verrat an den Werten, für die wir in Deutschland und Europa stehen“, heißt es weiter in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt.

CSU-Generalsekretär Markus Blume wies die Kritik umgehend zurück: „Was Renate Schmidt schreibt, ist üble linke Verhetzung. Wer anderen die Ehre abspricht oder sie gar für Tote verantwortlich macht, betreibt eine unsägliche Diffamierung, wie man es sonst nur von Radikalen und Extremisten kennt.“ Das sei besonders perfide, weil Seehofer durch die Schließung der Mittelmeerroute verhindern wolle, dass sich Migranten in die Todesboote begeben und in Seenot geraten.

Laut Schmidt ist auch Seehofers Freude über die Abschiebung von 69 Flüchtlingen nach Afghanistan an seinem 69. Geburtstag in der vergangenen Woche nicht tragbar. „Mir geht es hier nicht um eine Diskussion über die Rechtmäßigkeit dieser Abschiebung, sondern nur darum, dass bei Ihnen offenbar jeder Anflug von Humanität auf der Strecke geblieben ist. Das Unglück von anderen Menschen kann nie ein Geschenk oder Glück für uns sein“, schreibt Schmidt. Das Abschieben von Menschen eigne sich nicht für fade Scherze.

„Ihr Verhalten ist zum Fremdschämen, und ich schäme mich dafür, dass meine SPD aus Gründen der Staatsräson gezwungen ist, mit Ihnen an einem Tisch zu sitzen“, heißt es weiter. Seehofer verdiene derzeit weder Ehre für seine Rücktrittsdrohung und das „rüpelhafte Verhalten“ gegenüber Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch dafür, seither „keinen Anlass gesehen zu haben, zurückzutreten“.

dpa