Leere U-Bahnen, geschlossene Schulen

Die Angst vor dem Coronavirus legt den Alltag in Schanghai lahm, wie eine dort lebende Ingolstädterin erzählt

30.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:16 Uhr
  −Foto: Fang Zhe, dpa/privat

Schanghai/Ingolstadt - Die Zahl der Coronavirus-Fälle in China steigt: Schon mehr als 7830 Menschen leiden an der Lungenkrankheit, und täglich werden es mehr.

Die Einwohner machen sich Sorgen - so auch in Schanghai. Die Stadt an der Küste liegt zwar mehr als 800 Kilometer weit von der zentralchinesischen Millionenstadt Wuhan, in der die Epidemie vor einigen Wochen begonnen hat, entfernt. Dennoch wirkt die Weltmetropole momentan "ein bisschen wie eine Geisterstadt", wie Katharina Beisner erzählt.

Die Ingolstädterin lebt seit gut einem Jahr mit ihrem Mann Alexander und den beiden zwei- und fünfjährigen Kindern in Schanghai. Sie sehe momentan kaum Menschen auf den Straßen, berichtet die 33-Jährige unserer Zeitung. "Wenn man Menschen sieht, dann nur beim Einkaufen oder Erledigen von notwendigen Dingen. " Es spiele sich im Grunde kein soziales Leben ab. Und: "Alle Leute, die unterwegs sind, tragen Mundschutz - uns eingeschlossen. " Die üblichen Menschenmassen, die Verkehrsstaus und all der "Stadtstress", wie sie sagt, sei einer unheimlichen Stille gewichen. Leere U-Bahnen, geschlossene Restaurants; selbst Filialen diverser Ketten, die eigentlich immer offen haben, wie Starbucks oder McDonald's, hätten teilweise dichtgemacht. "In den geöffneten Läden steht überall Desinfektionsmittel. "
 

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Katharina Beisner und ihre Familie sind aus beruflichen Gründen in Chinas bedeutendste Industriestadt gezogen: Ihr Mann Alexander wurde für drei Jahre von Audi dorthin entsandt. Da sich das Paar wegen Auslandssemestern im Studium und mehrerer Asien-Reisen schon immer gut vorstellen konnte, eine Zeit lang im Ausland zu leben, sei ihnen der Schritt, nach Schanghai zu gehen, relativ leichtgefallen, erklärt Beisner. "Zumal es ja um eine begrenzte Dauer geht. " In ihrem Blog (https://vierinshanghai.de) berichtet sie über ihr Leben dort.

Wegen des Coronavirus bestehe nun natürlich auch in ihrer Familie eine gewisse Unsicherheit, sagt sie - genauso wie bei allen anderen Ausländern, die sich vorübergehend in China niedergelassen haben. "Allerdings ist die Sorge eher, wie sich die Situation entwickelt und was das dann gegebenenfalls für uns bedeuten wird. " Ein Punkt sei zum Beispiel, ob sie ausreisen müssen. Einige Familien, so die 33-Jährige, seien wegen des Virus bereits nach Deutschland zurückgeflogen. Andere machten dort gerade wegen der chinesischen Neujahrsferien Urlaub, den sie nun verlängert haben, um die Situation aus der Ferne zu beobachten und zu überlegen, was sie tun wollen.

"Wir persönlich haben uns erst mal gegen die Ausreise entschieden, weil ich den Flughafen gerade für gefährlicher halte als unser Zuhause", sagt Beisner. "Vor Ansteckung habe ich eigentlich keine Angst, denn wir halten uns so gut wie nur daheim auf. " Grund dafür sei, "dass wir uns derzeit alle in Quarantäne beziehungsweise Zwangsurlaub befinden. " Die chinesischen Neujahrsferien seien am Sonntag zwar zu Ende, aber die Deutsche Schule samt Kindergarten bleibe nach derzeitigem Stand nun bis 17. Februar geschlossen. "Das ist eine staatliche Anordnung und betrifft alle Schule und Unis in Schanghai. " Auch die Firma ihres Mannes habe eine Woche länger zu. "Die Behörden wollen, dass man die maximal 14-tägige Inkubationszeit zu Hause oder in relativ geschütztem Raum verbringt und nicht etwa bereits infiziert in die Schule geht. "

Auch sämtliche Sehenswürdigkeiten Schanghais, Ausflugsziele, Vergnügungsparks, Theater und vieles mehr seien bis auf weiteres geschlossen. "Zudem werden täglich einige Millionen Masken an ausgewählte und kommunizierte Apotheken in jedem Bezirk geliefert. Aber es scheint dennoch einen Engpass zu geben", erzählt Beisner, die darüber gelesen hat. "Wir haben ohnehin Masken, eigentlich wegen der teilweise schlechten Luftwerte. Die nehmen wir nun also immer, wenn wir aus dem Haus gehen. " Am Eingang zu ihrer Wohnanlage werde bei allen Besuchern Fieber gemessen. Auch Lieferanten kämen nicht mehr hinein, sondern müssten ihre Pakete und Waren dort abgeben.

"Teilweise nervig", so die 33-Jährige, seien die vielen Tausend Nachrichten, Gerüchte und auch Fake-News über das Coronavirus, die sie täglich erreichen. Einzuordnen, was wichtige Informationen sind und was nicht, sei daher sehr schwierig. Sie und ihr Mann würden sich deshalb größtenteils über deutsche Medien informieren und sich auf die Angabe von Chinesen verlassen, denen sie vertrauen. "Es gibt quasi kein anderes Thema gerade", fasst Beisner die derzeitige Stimmung in Schanghai zusammen. Es sei schwer abzusehen, wie es weitergeht. "Hoffen wir das Beste. "

DK

Silvia Obster