München
Kritik ebbt nicht ab

Grünen-Fraktionschef Hartmann: "Sehen uns vor dem Verfassungsgerichtshof wieder"

16.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:15 Uhr

München (DK) Die CSU hat es durchgezogen: Dienstagnacht beschloss sie im Landtag mit 89 zu 67 Stimmen das umstrittene neue Polizeiaufgabengesetz (PAG). Die Opposition - SPD, Grüne und Freie Wähler - hatten sich in der Abstimmung dagegen ausgesprochen.

Zumindest SPD und Grüne haben angekündigt, nun vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das PAG klagen zu wollen. "Liebe CSU, wir sehen uns vor dem Verfassungsgerichtshof wieder", twitterte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann noch in der Nacht.

Während Kommunikationsexperten wie Medienwissenschaftler Martin Löffelholz von der Technischen Universität Ilmenau davon ausgehen, dass nun die Proteste nach und nach wieder abebben, sieht man sich im Lager der Gesetzes-Kritiker hingegen eher angespornt: "Jetzt erst recht: #noPAG! Wir machen weiter", twitterte etwa die Piratenpartei.
Wie es mit der Gefühlslage der Menschen in Bayern angesichts des neuen Gesetzes tatsächlich aussieht, lässt sich allerdings reichlich schwer beurteilen: Während in den vergangenen Tagen Tausende auf die Straße gegangen waren, um gegen das PAG zu protestieren, berichten CSU-Landtagsabgeordnete, dass sie zu Hause in den Wahlkreisen von den Bürgern praktisch gar nicht mit Kritik an den deutlich erweiterten Befugnissen von Polizei und Richtern konfrontiert würden.
So oder so: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will nun umfassend aufklären. Dass dieses Vorgehen etwas ungewöhnlich ist - erst ein Gesetz gegen viel Kritik beschließen, erst anschließend die Öffentlichkeit aufklären -, räumen selbst Mitglieder der Staatsregierung ein. Andererseits: Auch andere Bundesländer und selbst der Bund werden aufgrund neuer Vorgaben aus Brüssel (Datenschutzrichtlinie) und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (das den allseits kritisierten Begriff der "drohenden Gefahr" als neuen Tatbestand zwischen den juristischen Begriffen der sogenannten "abstrakten Gefahr" und der "konkreten Gefahr" überhaupt erst ersonnen hat) ihre Polizeiaufgabengesetze überarbeiten und zumindest in Teilen neu fassen müssen. Sie schwimmen jetzt im Windschatten der vorausgestürmten Bayern.
Herrmanns Ministerium jedenfalls verschickte noch in der Nacht eine Pressemitteilung, in der der Minister mit der Ankündigung zitiert wurde, "um unsere Bürgerinnen und Bürger noch besser über die neuen Polizeibefugnisse zu informieren, richten wir insbesondere Accounts in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter ein". Gestern Nachmittag wurden diese freigeschaltet. "Nutzen Sie die Gelegenheit und informieren Sie sich aus erster Hand über die Änderungen im Polizeiaufgabengesetz", bat Herrmann und verwies zusätzlich auf eine Internetseite zum PAG (www.pag.bayern.de), die "umfangreiche Informationen rund um das PAG bietet, und die unabhängige Expertenkommission, die die Umsetzung der PAG-Neuerungen eng begleiten und analysieren wird". Auch eine Informationsbroschüre solle "demnächst" über ein Bestellportal (www.bestellen.bayern.de) angeboten werden und in zahlreichen bayerischen Behörden ausliegen.
Ob derlei genügt, die Kritiker im Nachhinein zu besänftigen, wird sich erst noch erweisen müssen. Kritiker warfen Herrmann vor, er mache dies mit der "kommunikativen Finesse eines Donald Trump". Insbesondere auf die Kommission unter Vorsitz des Verfassungsrechtlers und einstigen Präsidenten des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Karl Huber, die über die Umsetzung des Gesetzes wachen soll, wird nun wohl ein Haufen Arbeit zukommen.

Alexander Kain