Schweinfurt
Ex-Fußballtrainer gesteht Missbrauch vor Gericht

30.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:14 Uhr
Eine goldfarbene Justitia-Figur steht vor Aktenbergen, die sich auf einem Tisch stapeln. −Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Sexueller Missbrauch von Kindern lautet seit Freitag der Anklagevorwurf gegen einen ehemaligen Fußballtrainer vor dem Landgericht Schweinfurt. Der 21-Jährige soll durch seine Funktion das Vertrauen der Schützlinge erworben und intime Aufnahmen erhalten haben, sagte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklageschrift zu Beginn des Prozesse. Mit drei der neun Betroffenen im Alter zwischen 11 und 13 Jahren sei es zu Körperkontakt gekommen. Die mutmaßlichen Übergriffe ereigneten sich unter anderem im Auto und in der Wohnung des Angeklagten.

Als Fußballtrainer erwarb er sich das Vertrauen seiner jungen Spieler, mit perfiden Lügen gelangte er an intime Fotos und Videos seiner Schützlinge. Seit Freitag sitzt der 21-Jährige aus dem Landkreis Bad Kissingen auf der Anklagebank des Landgerichts Schweinfurt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm sexuellen Missbrauch von Kindern im Alter zwischen 11 und 13 Jahren vor.

Statt im Landgericht verhandelte die Kammer wegen der Corona-Hygienevorschriften in der Schweinfurter Stadthalle. Denn der Angeklagte muss sich nicht nur vor Richterin, Schöffen und Staatsanwalt verantworten, sondern wird die voraussichtlich sieben Verhandlungstage auch vor den Eltern seiner neun Opfer sitzen.

Sie füllten die Plätze der Nebenklage und damit, unter Einhaltung des 1,5 Meter Mindestabstands, beinahe den halben Saal. Der 21-Jährige versuchte sich von ihren Blicken abzuwenden, drehte seinen Rücken zur Seite, hielt eine Hand vors Gesicht.

„Um sein Ziel, an kinderpornografische Bild- und Videodateien zu gelangen, zu erreichen, erfand der Angeschuldigte unter anderem die Geschichte, er sei Mitglied einer Sondereinheit, die Kinder aus den Fängen eines russischen Kinderpornografie-Rings befreie“, sagte der Staatsanwalt. Dieser „Mafia“ sei es gelungen, die Handys von Spielern zu hacken und an intime Aufnahmen vom Duschen zu gelangen - die Fotos und Videos hätten sie ins Internet gestellt, so die Erzählung.

Der Angeklagte gab vor, eine Software entwickelt zu haben, mit dem die Aufnahmen der Jungen aufgespürt und gelöscht werden könnten. Zum Abgleich müssten sie intime Bilder an ihn schicken und einen Fragebogen mit Details zum Schambereich ausfüllen. Die Bilder und Videos erhielt er über Whatsapp-Chats, bei manchen Aufnahmen war er dabei und setzte die Kinder mit seinen Lügen unter Druck.

In einem Fall habe er eine bevorstehende Entführung eines Teammitglieds durch die „Russen-Mafia“ vorgegaukelt, sollte das Opfer nicht weiteres Material schicken, um die vermeintlichen Entführer zu besänftigen. Auf einen anderen Minderjährigen wirkte er laut Anklage über fünf Monate hinweg ein, indem er erzählte, die Mafia plane die Entführung des 13-Jährigen.

Die mutmaßlichen Taten ereigneten sich im Zeitraum von Oktober 2017 bis Februar 2020. Zu den Übergriffen kam es unter anderem in der Wohnung des Angeklagten und auf dem Park­platz der Fachakademie für Sozialpädagogik. Der Angeklagte absolvierte Ausbildungen zum Erzieher und Kinderpfleger.

Bei drei der Geschädigten soll es zu Handlungen mit Körperkontakt gekommen sein, die laut Staatsanwaltschaft jedoch nicht den Straftatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern erfüllen würden. Doch es ging erniedrigend zu - und schmerzhaft. Von einem Schneidebrett, Schuhlöffel, Ledergürtel oder Holzstock ist in der Anklage die Rede.

Zur Festnahme kam es, nachdem sich ein Spieler seinen Eltern anvertraut hatte. Diese erstatteten Strafanzeige. Der Deutsche wurde im Februar 2020 festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Da die Verhandlung Umstände aus dem Intimbereich des Angeklagten und der Kinder berührt, wurde die Öffentlichkeit nach Verlesen der Anklageschrift ausgeschlossen.

Wie ein Sprecher des Gerichts mitteilte, habe der Angeklagte die Taten am Freitag vollumfänglich gestanden. Der Vertreter der Nebenkläger, Jürgen Scholl, zeigte sich erleichtert. „Ich bin glücklich, dass den Kindern damit eine Aussage im Zeugenstand erspart bleibt“, sagte er nach der Verhandlung. Laut Scholl soll ein Sachverständiger den Angeklagten als schuldfähig eingestuft haben.

Die Opfer werden vom Weißen Ring betreut. Es sollen mehr als neun Kinder sein, allerdings stellte die Staatsanwaltschaft manche Ermittlungen „wegen Geringfügigkeit“ ein. Vom Verein erhielt der ehemalige Trainer ein lebenslanges Hausverbot.

Der bitteren Realität von Kindesmissbrauch in Vereinen stellt sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und unterstützt eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs im Kontext Sport. Der Aufruf richtet sich an Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuellem Missbrauch im Sport ausgesetzt waren. Für Vereine gibt es einen Handlungsleitfaden zur Prävention und Intervention von sexualisierter Gewalt im Fußball.

Erst Juli hatte das Landgericht Freiburg einen früheren Kinder- und Jugendtrainer verschiedener Fußballmannschaften zu viereinhalb Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der 31-Jährige hatte sich jahrelang an Kindern im Alter von neun bis 14 Jahren vergangen, unter anderem in Trainingslagern. Der Richter bezeichnete diesen als „brandgefährlich“.

Aufarbeitung sexueller Kindesmissbrauch DFB

DFB-Broschüre Kinderschutz im Verein

dpa