Wiesbaden/Rom
Mafia: Dutzende Festnahmen bei internationaler Razzia

05.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr
Federico Cafiero De Raho, Antimafia- und Antiterror-Staatsanwalt, verlässt eine Pressekonferenz zur Operation „Pollino“. −Foto: Peter Dejong/AP

In den frühen Morgenstunden schlagen die Ermittler zu, auch in Deutschland. Im Visier: die mächtige Mafia-Organisation 'Ndrangheta. Dutzende mutmaßliche Mitglieder werden gefasst.

Bei groß angelegten Razzien gegen die italienische Mafia-Organisation 'Ndrangheta haben Ermittler in Deutschland und anderen Staaten fast 90 Verdächtige festgenommen. Bei den Vorwürfen geht es um Drogenhandel, vor allem mit Kokain, und Geldwäsche. In Deutschland werde im Rahmen der Operation gegen 47 Beschuldigte ermittelt, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt von Duisburg, Horst Bien, am Mittwoch. Die kalabrische 'Ndrangheta gilt als mächtigste italienische Mafia-Organisation. Sie dominiert den Drogenschmuggel nach Europa und ist auch in Deutschland aktiv.

Bien zufolge wurden vor allem in Nordrhein-Westfalen Vermögenswerte von mehreren Millionen Euro vorläufig beschlagnahmt. Mutmaßlicher Haupttäter in NRW ist ein Gastwirt aus Pulheim bei Köln. An den Durchsuchungsaktionen in Deutschland waren rund 440 Beamte von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei beteiligt. Im Osten des Großraums München wurden eine Pizzeria und eine Wohnung durchsucht, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Ermittlerkreisen erfuhr. Festnahmen gab es dort aber nicht.

Das BKA nahm Mittwoch 14 Personen in Deutschland fest, sechs davon wegen Haftbefehlen aus Italien, Belgien und den Niederlanden. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden größere Mengen Bargeld sowie Autos, die mutmaßlich als Kurierfahrzeuge für den Drogenschmuggel genutzt wurden, sichergestellt.

Eurojust-Vizepräsident Filippo Spiezia bezeichnete die Operation unter dem Decknamen „Pollino“ - das ist der Name eines Nationalparks in Süditalien - als „außerordentlichen Erfolg“. Sie sei die bisher umfangreichste ihrer Art in Europa. Um die Aktion vorzubereiten, arbeiteten Strafverfolgungs- und Justizbehörden seit 2016 im Rahmen einer grenzüberschreitenden Ermittlungsgruppe (GEG) zusammen. Sie wurden dabei unterstützt von Eurojust, der EU-Agentur für justizielle Zusammenarbeit der EU, und Europol in Den Haag.

Im Laufe der Ermittlungen wurden europaweit fast 4000 Kilogramm Kokain und beträchtliche Mengen anderer Betäubungsmittel beschlagnahmt. Die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtete, der größte Teil davon (3500 Kilo) sei im März im Hafen von Rotterdam beschlagnahmt worden. Das BKA geht nach eigenen Angaben dem Verdacht nach, dass die `Ndrangheta fast eine halbe Tonne Kokain oder sogar noch mehr nach Deutschland geschmuggelt hat.

In Deutschland durchsuchte die Polizei am Mittwoch nach Angaben der Kölner Ermittler zunächst 23 Objekte in NRW, außerdem vier weitere in Berlin und vier in Thüringen. Das BKA berichtete später, Beamte des BKA und der Bundespolizei, darunter auch die Spezialeinheit GSG9, seien an 65 Wohnungen oder anderen Objekten mit Schwerpunkten in Nordrhein-Westfalen und Bayern gewesen.

Auch im belgischen Verviers und an zwei Objekten auf Mallorca gab es Aktionen. Laut Eurojust fand ein Einsatz auch in Surinam statt, einem kleinen Staat an der Nordostküste Südamerikas, sowie in Luxemburg.

Auf die Spur der mutmaßlichen Mafia-Mitglieder kamen die deutschen Ermittler nach eigenen Angaben durch den Fund von Kokain in einem präparierten Pferdetransporter. Der Transporter sei vor zwei Jahren im britischen Fährhafen Harwich sichergestellt worden.

BKA-Vizepräsident Peter Henzler sagte in Wiesbaden, das Rauschgift sei nach Erkenntnissen der Ermittler in Containern von Südamerika in europäische Häfen transportiert und dann in kleineren Mengen von 10 bis 20 Kilo mit präparierten Fahrzeugen nach Deutschland und Italien geschafft worden. „Die Erlöse aus diesem Rauschgifthandel wurden investiert, wurden gewaschen“ - überwiegend in Italien, in Immobilien, insbesondere in Restaurants, erläuterte Henzler. „Hier in Deutschland ist bislang nicht festgestellt worden, dass in Immobilien investiert wurde, aber wir sind ja noch mitten in den Ermittlungen.“

In Deutschland dienten Henzler zufolge Restaurants und Eiscafés als logistische Basis, um Personal halten und austauschen zu können. Das BKA und die Polizeien der Länder gehen von etwa 600 aktiven Mafia-Mitgliedern in Deutschland aus, am stärksten vertreten sei die 'Ndrangheta.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte am Mittwoch in München: „Die Mafia versucht überall an Einfluss zu gewinnen“, beispielsweise im Drogenhandel und bei der Schutzgelderpressung. Italienische Mafia-Aktivitäten in Bayern beschäftigten die Behörden schon seit Jahren. Entscheidend sei, dass Ermittlungen durch noch mehr internationale Zusammenarbeit weiter vorankommen. Bei den italienischen Behörden sei in den vergangenen Jahren deutlich spürbar eine bessere und konsequentere Bekämpfung der organisierten Kriminalität erfolgt.

PM der Polizei Köln

Bundeskriminalamt über Mafia-Clans

Eurojust

BKA-Mitteilung

dpa