München
Eine Frage des Vertrauens

Söder und Aiwanger vereinbaren Stillschweigen über Verlauf ihrer Koalitionsverhandlungen

20.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:25 Uhr
Mit einem Handschlag begannen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und FW-Chef Huber Aiwanger (rechts) am Freitag die Verhandlungen über eine schwarz-orange Koalition. −Foto: Hase/dpa

München (DK/dpa) Am Freitag haben in München die Koaltionsverhandlungen zwischen CSU und Freien Wählern begonnen. Zum Auftakt ging es nicht nur um den Finanzrahmen des angestrebten schwarz-orangen Regierungsbündnisses. Mit einem Stillschweigeabkommen prüfen beide Parteien auch das nötige Vertrauen.

Im Saal 2 des bayerischen Landtags wird gerne geschwitzt - vornehmlich von Ministern, Staatssekretären, Beamten und Mitarbeitern von Staatseinrichtungen. Denn neben den normalen Landtagsausschüssen tagen hier des Öfteren auch öffentlich die Untersuchungsausschüsse des Landtags - und manche Befragung ist hochnotpeinlich und Schweiß-treibend.

Nun sind der Saal 2 und die vorgelagerte Lobby Sperrzone: Hier treffen die Verhandler der neuen Bayern-Koalition aufeinander - Journalisten sollen ferngehalten werden. Szenen wie während den Verhandlungen zur Jamaika-Koalition in Berlin vor einem Jahr, wo man sich miteinander auf dem Balkon zeigte, gemeinsam Zigarillos rauchte und regelmäßig den Zwischenstand der Verhandlungen mehr oder weniger öffentlich machte, soll es hier in München nicht geben - das haben die Verhandlungsführer, Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (FW), vereinbart. Bisher halten sich beide daran. Ob das so bleibt, wird von beiden Seiten auch als eine erste Vertrauensprüfung gesehen. Ein konkreter Zeitplan für die Verhandlungen ist daher bislang nicht bekannt. 2008 dauerten die Koalitionsverhandlungen von CSU und FDP rund zweieinhalb Wochen.

Punkt zehn Uhr ging es am Freitag los: Erst zog die Delegation der Freien Wähler ein, ein Dutzend Verhandler, vorneweg Aiwanger mit stolz geschwellter Brust, von rechts kommend, den schmalen Gang mit dem roten Teppich entlang. Eine Minute später, von links kommend, die CSU-ler, Söder vorneweg. Es hatte ein bisschen etwas vom Einlauf eines Boxkampfes. Beide: wortkarg. Im Saal 2 nimmt man an den zusammengestellten Tischen gegenüber Platz. Es gibt belegte Brötchen, Getränke. Dann werden alle rausgeschickt, die nicht zum jeweiligen Team gehören.

Auch wenn CSU und Freie Wähler politisch nahe beieinander liegen: Aiwanger hatte im Wahlkampf viel versprochen, das ins Geld geht - etwa kostenlose Kitas. Zu klären ist jetzt etwa, für welche Altersklassen dies gelten soll und ob damit eine ganztägig kostenfreie Betreuung gemeint ist - oder nur für einige Stunden. Bereits im Winter hatten sich die Freien Wähler für eine kostenlose Betreuung von fünf Stunden ausgesprochen. Je nach Ausgestaltung dürfte dies mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr kosten - zumindest hatten die Freien Wähler das intern angesetzt. Die CSU hatte bislang kostenfreie Kitas immer abgelehnt. Kurz vor der Wahl im September hatten sie stattdessen ein bayerisches Familiengeld eingeführt, welches unabhängig von der Betreuungsart oder dem Einkommen für alle Eltern von ein- und zweijährigen Kindern ausgezahlt wird. Für die ersten beiden Kinder gibt es pro Monat 250 Euro, ab dem dritten Kind gibt es 300 Euro monatlich. Pro Jahr rechnet die Staatsregierung mit Kosten von 800 Millionen Euro.

Das Familiengeld ist rechtlich aber umstritten, weil nicht klar ist, ob es auf Sozialleistungen wie Hartz IV angerechnet werden muss. Die Opposition - darunter auch die Freien Wähler - hatte das von der CSU beschlossene Familiengeld als plumpes Wahlkampfgeschenk kritisiert.

Bei den Kolitionsverhandlungen wird es nun darauf ankommen, wie diese beiden kostspieligen Varianten aufeinander abgestimmt werden können. Vertreter beider Parteien erklärten, dass eine einfache Addition nicht finanzierbar sei. Ein Kompromiss könnte es sein, dass die CSU auf ein Jahr Familiengeld verzichtet, dadurch würde ein Spielraum von rund 400 Millionen Euro im Haushalt frei.

Aus Verhandlungskreisen war aber zu hören, dass es keine einfachen Gegenrechnungen, sondern ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept geben soll. In diesem Kontext müsste auch die Forderung der Freien Wähler nach einer Rückerstattung bereits ausgezahlter Straßenausbaubeiträge bis Anfang 2014 einfließen. Schon im Juni hatte Aiwanger die Kosten dafür auf rund 250 Millionen Euro taxiert. Die CSU hatte bei der Abschaffung der Beiträge zum 1. Januar 2018 eine Rückerstattung aber kategorisch abgelehnt, auch wegen möglicher juristischer Folgen.

Auch bei der Fortsetzung der Verhandlungen am Montag im Landtag werden die sogenannten Finanzierungsvorbehalte über allen inhaltlichen Debatten stehen. Dann dürften auch kostspielige Prioritäten der CSU auf den Tisch kommen. Nachdem Söder bereits in den Monaten vor der Wahl mehr als eine Milliarde Euro in neue Projekte investierte, dürfte der Fokus aber primär auf der Sicherung der Finanzierung für die kommenden fünf Jahre liegen.

Söder betonte am Freitagmorgen zudem, dass die geplante Koalition nach dem Wahlerfolg der Grünen erkennbare Schwerpunkte im Bereich Umwelt- und Naturschutz haben soll. Man werde aus dem Wahlergebnis Schlüsse ziehen, was die Sensibilität für Ökologie betrifft.